zeit.geschichte
Die Alliierten in Österreich - Die Russen sind da
Vor der Roten Armee fürchtete man sich lange bevor sie Österreichs Grenzen überschritt. Keine der vier Besatzungsmächte verfügte über so geringe Sympathiewerte wie die Russen. Daran sollte sich zwischen 1945 und 1955 nur wenig ändern. Übergriffe, Verschleppungen und Willkür schufen ein Klima der Angst, ein Szenario täglicher Bedrohung. Die Verdienste der Sowjets als Befreier waren recht schnell vergessen. Vor allem für Frauen als bevorzugte Opfer der Gewalt kamen die ersten Jahre unter „rotem Stern“ einer Phase permanenter Bedrohung gleich.
Im Gegensatz zu Amerikanern, Briten und Franzosen verzichteten die Sowjets nicht auf die Beschlagnahme des ehemaligen deutschen Eigentums in ihren Zonen. Das machte sie zum größten Arbeitgeber aller vier Besatzungsmächte. Über die Erfahrungen mit sowjetischen Arbeitgebern berichtet ein ehemaliger Mitarbeiter eines USIA-Betriebes. Auch von den Sowjets eingesetzte österreichische Betriebsleiter hatten es nicht immer leicht.
Die marxistischen Lehren von der Befreiung der Arbeiterklasse waren der Stoff für die Sonntagsreden, die Praxis in den Betrieben sah anders aus. Die sowjetischen Besatzer praktizierten die Politik des „doppelten Bodens“. Das aus ideologisch-propagandistischen Gründen in Österreich Geduldete, so zum Beispiel, der Oktoberstreik vom Herbst 1950, wäre in der Sowjetunion mit Zwangsarbeit in Sibirien sanktioniert worden.
Wenig Aufmerksamkeit wurde im Gedenkjahr bisher jenen Österreichern geschenkt, die meist aus nichtigem Anlass in sibirische Arbeitslager verschleppt wurden. Andreas Novak konnte einen Niederösterreicher als Interviewpartner gewinnen, der als 16-Jähriger zur Zwangsarbeit nach Sibirien deportiert wurde und in diesem Film ausführlich zu Wort kommt.
Der Wiener Schriftsteller und Maler Wilfried Zeller-Zellenberg fertigte über den russischen Besatzungsalltag eine Reihe von Karikaturen an. Er zeichnete sie heimlich, wären sie sowjetischen Besatzungssoldaten in die Hände gefallen, wäre Zeller-Zellenberg wahrscheinlich nach Sibirien deportiert worden. Verleger, denen er die Bilder damals zeigte, wagten es natürlich nicht, sie zu publizieren. Nach Ende der Besatzungszeit erlosch das Interesse an einer Veröffentlichung. Das blieb auch nach dem Tod Zeller-Zellenbergs im Jahr 1989 so. Während der Recherchen für diese Folge der Doku-Reihe stieß das ORF-Team auf die unveröffentlichten Bilder, die sich im Archiv des Karikaturenmuseums Krems befinden.
Das zehnjährige Nebeneinander von Russen und Österreichern brachte die Konfrontation völlig unterschiedlicher ideologischer Systeme, Kulturen und Mentalitäten. Nicht selten waren diese Gegensätze die Grundlage für gefährliche Konflikte.
Film von Andreas Novak