zeit.geschichte
Widerstand im KZ - Der Fotograf von Mauthausen
Tausende Fotos, die zutiefst verstören. Fotos, auf denen die SS ihre grauenvollen Verbrechen im KZ Mauthausen festgehalten hat. Einer Gruppe mutiger spanischer Häftlinge, allen voran Francisco Boix, und einer Bürgerin von Mauthausen ist es zu verdanken, dass die Bilder als Zeitdokumente und Beweismaterial erhalten geblieben sind.
Francisco Boix, Häftling und Fotograf
Der ehemalige Spanienkämpfer Francisco Boix ist erst 20 Jahre alt, als er 1941 nach Mauthausen verschleppt wird. Der in Barcelona geborene Katalane ist gelernter Fotograf. Die SS weist ihn deshalb ihrem Erkennungsdienst zu. Dort bleibt er von schwerer körperlicher Arbeit im Steinbruch verschont und erfährt vieles über das Martyrium seiner Mithäftlinge und das zynische und barbarische System der Nationalsozialisten. Damit die Täter nicht ungestraft davonkommen, fasst er einen lebensgefährlichen Plan: so viele Negative wie möglich hinauszuschmuggeln und in Sicherheit zu bringen. Um eines Tages, wie er hofft, der Welt damit die abscheulichen Verbrechen der Nazis beweisen zu können.
In kleinen Päckchen tragen die Widerstandskämpfer die Negative am Körper, verstecken sie in den Baracken, schleusen sie aus dem Lager – insgesamt mehr als 20.000. Dass es den spanischen Häftlingen gelungen ist, so viele Negativstreifen in Sicherheit zu bringen, ist auch dem außerordentlichen Mut einer Bürgerin von Mauthausen zu verdanken – Anna Pointner, die das SS-Regime verabscheut. Unter widrigsten Umständen, in einer Umgebung glühender Nationalsozialisten und der SS gelingt es ihr, den Kontakt zu einer Gruppe junger spanischer Zwangsarbeiter herzustellen, die an ihrem Haus vorbeigehen. Sie vertrauen ihr Filmstreifen an, die sie in einer Mauer hinter ihrem Wohnhaus versteckt. Damit bringt auch sie sich und ihre Familie in Lebensgefahr.
Francisco Boix wird im Jänner 1946 als Zeuge zu den Nürnberger Kriegsverbrecher-Prozessen geladen. Dank seiner Beweisfotos werden 58 der 61 Angeklagten verurteilt.
Das Leben im KZ äußerst sorgfältig dokumentiert
Von keinem anderen Konzentrationslager sind so viele Fotos erhalten geblieben wie von Mauthausen. Unter der Leitung von SS-Hauptscharführer Paul Ricken machte die SS viele Aufnahmen, die das Lagerleben dokumentieren sollten. Sie geben einen Eindruck von den schrecklichen Lebensbedingungen und der Schwerstarbeit, die die Häftlinge im Steinbruch verrichten mussten. Zwei Bilder zeigen Häftlinge, die in den Selbstmord getrieben wurden. Andere Bilder beweisen, dass bekannte Nazi-Führer wie Albert Speer oder Ernst Kaltenbrunner Mauthausen besucht hatten.
Von den Zigtausenden Negativen, die Francisco Boix und seine Landsleute gerettet haben, ist bisher nur ein Bruchteil gefunden worden. Sie befinden sich in Archiven in Barcelona, Paris und Wien. Fotos, die beweisen, wie die SS ihre Morde als sogenannte „unnatürliche Todesfälle“ tarnte, Fotos von Gaskammern, Hinrichtungszeremonien und erzwungenen Selbstmorden – aber auch Porträts der Täter, offizielle Besuche hochrangiger Nationalsozialisten und private Aufnahmen der SS-Schergen beim Sonnenbad oder bei Feierlichkeiten.
Die Fotos verstören nicht nur wegen der Gräueltaten, die abgebildet sind, sondern auch wegen der von Boix darauf notierten Details: Datum der Aufnahme, Namen der Täter, Informationen zu Opfern, Zweck der Aufnahme. Als die SS kurz vor der Befreiung in der Nacht auf den 3. Mai 1945 fluchtartig das KZ verlässt, greift Francisco Boix zur Leica des Erkennungsdienstes und fotografiert das Geschehen – das Chaos im Lager, in dem sich die Häftlinge plötzlich frei bewegen können, seine spanischen Kameraden, die mit ihren Häftlingsnummern vor der Kamera posieren, und die Ankunft der US-amerikanischen Armee.
Auf Basis von Boix‘ Aufnahmen stellen die US-Fotografen zwei Tage später die Befreiungsszenerie für ihre eigenen Fotos nach. Die Bilder gehen um die Welt, entsprechen aber nicht der Realität. Denn die spanischen Häftlinge haben eigens dafür ein Banner angefertigt, auf dem sie die amerikanischen Soldaten begrüßen.
Es ist eine erschütternde Geschichte von Widerstand und Mut, die diese Dokumentation anhand von bisher wenig bekannten Originalaufnahmen des Mauthausen Prozesses, Archivfotos und Interviews mit internationalen Historiker:innen und KZ-Überlebenden erzählt. Die Tatsache, dass Menschen das eigene Leben riskiert haben, um die Wahrheit ans Licht zu bringen, hat dazu beigetragen, dass die Täter einer gerechten Strafe zugeführt werden konnten und die Opfer niemals vergessen werden.
Regie
Barbara Necek
Bearbeitung
Andrea Lehner