zeit.geschichte
Tarnen, täuschen, tricksen. Wilhelm Berliner und der Phönix-Skandal
Österreich, 1936: Das Land wird von der Mega-Pleite der Wiener Lebensversicherung Phönix erschüttert. Die Verluste der drittgrößten Lebensversicherung Europas sind so groß, dass vorübergehend sogar eine internationale Finanzkrise droht.
Die Bevölkerung kann es kaum fassen. Der einzige Paradekonzern, den das kleine Land noch hatte, ist bankrott. Kaum jemand hätte das für möglich gehalten. Denn der langjährige Phönix-Boss Wilhelm Berliner hatte den Ruf, ein Versicherungsgenie zu sein.
Nach Berliners rätselhaftem Tod kurz vor der Pleite ist der Lack jedoch ab: Der einstige "Napoleon der Versicherungsbranche" wird als der böse Geist der Phönix-Versicherung verteufelt, der riesige Bilanz-Tricksereien angeordnet hat, um ein ruinöses Defizit zu kaschieren.
Es dauert aber nicht lange, bis geheime Bestechungslisten ans Licht kommen. Sie zeigen, dass Berliner wichtige Beamte, Journalisten und Politiker geschmiert hat, um die Schulden vertuschen zu können. Die Listen legen allerdings auch nahe, dass der Ständestaat von der Misere schon lange gewusst und die Phönix-Versicherung als Geldesel missbraucht hat.
Konzernweit verschlingt die Phönix-Pleite letztlich 480 Millionen Schilling. Auf heutige Verhältnisse umgelegt wäre das so, als hätte ein österreichisches Unternehmen 20 Milliarden Euro in den Sand gesetzt.
Die Dokumentation "Tarnen, täuschen, tricksen" von Regisseur Georg Ransmayr ist die spektakuläre Chronik einer folgenschweren Finanzaffäre, die von einem gewieften Betrüger heraufbeschworen wurde und bezüglich der Schadenssumme alle rot-weiß-roten Skandale bis heute in den Schatten stellt.
Die Menschen & Mächte - Doku liefert auch ein Sittenbild der Dollfuß-Schuschnigg-Jahre von 1933 bis 1936. Der autoritäre Ständestaat will sich damals gegen Hitler-Deutschland behaupten. In dieses Rückzugsgefecht platzt aber der Phönix-Skandal. Er liefert genügend propagandistische Argumente um das Regime von Kanzler Schuschnigg als korrupt und inkompetent bloßzustellen. Er ist Wasser auf die Mühlen der "Anschluss"-Befürworter.
Nachgezeichnet werden die Ereignisse nicht nur durch Experten-Interviews und bislang unveröffentlichte Dokumente, sondern auch durch aufwändige Spielszenen. Die Figur des Wilhelm Berliner verkörpert der Schauspieler und Autor Holger Schober, der u.a. durch den Oscar-prämierten Film "Die Fälscher" und seine Rolle als Abteilungsinspektor Roman Mohácsi in der TV-Serie "CopStories" bekannt geworden ist. Dazu kommen noch der langjährige Burgtheater-Schauspieler Christoph Radakovits und weitere Darsteller.
Gedreht wurde in Deutschland und in Österreich. In Wien im Nostalgie-Zug Majestic Train und in der alten Postsparkasse, in Niederösterreich im Park von Schloss Rappoltenkirchen und in Oberösterreich im Eisenbahn-Lokpark Ampflwang. Hinter der Kamera stand Max Meißl, der seit vielen Jahren im ORF für die Kameraarbeit bei Hochglanz-Produktionen wie dem Neujahrskonzert verantwortlich ist.
Eine besondere Herausforderung bei der Doku "Tricksen, tarnen, täuschen" waren die Corona-Auflagen während der Dreharbeiten. Vor und während der Drehs wurde das Filmteam mit PCR- und Schnelltests untersucht. Daneben mussten alle Teilnehmer mit Ausnahme der Darsteller zu jeder Zeit einen Mund-und-Nasenschutz tragen. Die Einhaltung der Anti-COVID-Auflagen wurde von Beauftragten der ORF-Konzernsicherheit überwacht.
Die Pandemie hat auch dazu geführt, dass eine Reihe wichtiger Archive geschlossen oder nur stark reduziert nutzbar waren. Das wiederum erschwerte die wichtigen historischen Recherchen enorm.
Gestaltung
Georg Ransmayr