Universum History
Fluch des Mittelmeers - Piraterie, Menschenraub und Sklaverei
Piraterie und Raub auf hoher See – nicht nur die Karibik war Schauplatz blutigen Treibens. Auch am Mittelmeer wurde erbittert gekämpft. Vom 16. bis zum 19. Jahrhundert bekriegten Muslime und Christen einander um die Vorherrschaft auf See. Piraten und Korsaren raubten, verschleppten und versklavten im Auftrag ihrer Herrscher oder auf eigene Faust mehr als eine Million Menschen. Überfälle auf Handelsschiffe und Freikaufgeschäfte gehörten zum Alltag. Ein Forschungsteam der Universität Innsbruck hat Augenzeugenberichte heimgekehrter Sklaven analysiert und dokumentiert – und liefert ein detailliertes Bild des brutalen Treibens am Mittelmeer.
Auwendig inszeniertes Doku-Drama
Im Zentrum der „Universum History“-Neuproduktion „Fluch des Mittelmeers – Piraterie, Menschenraub und Sklaverei“ von Regisseurin Danielle Proskar stehen am Freitag, dem 4. Oktober, um 22.35 Uhr in ORF 2 und auf ORF ON die Niederschriften des deutschen Kaufmannssohns Balthasar Sturmer (gespielt von Felix Stichmann). Er gerät in muslimische Gefangenschaft und muss auf einem Schiff des berüchtigten Korsaren Barbarossa als Rudersklave dienen. Aufwendige Spielszenen erwecken sein Schicksal auf hoher See zu neuem Leben. Vor der Küste von Malta wird auf über 100 Metern Tiefe ein Wrack erstmals erfoscht, das nun Licht in diese dunkle Epoche bringen könnte. Maltesische Wissenschafter:innen wagen in einer spektakulären Expedition den lebensgefährlichen Tauchgang in 126 Meter Tiefe, um Relikte des archäologischen Schatzes zu bergen und das Rätsel des versunkenen Piratenschiffs zu lösen. Eine neue packende „Universum History“-Ko-Produktion über die rauen Zeiten der Piraterie im Mittelmeer.
Die Dokumentation entstand als österreichisch-maltesische Produktion von e&a film und Urban Canyons in Koproduktion mit ORF und ARTE, in Zusammenarbeit mit ORF-Enterprise und gefördert vom Fernsehfonds Austria, dem Filmfonds Wien, von Screen Malta sowie Creative Malta und mit Unterstützung der VAM.
500 Jahre später: Spurensuche in der Tiefe
Eine Hafenspelunke in Lissabon, 1532: Eine Runde durchtriebener Seemänner wechselt Blicke. Einer passt so gar nicht zu ihnen: Der junge, blonde Balthasar Sturmer. Er schüttelt den Würfelbecher und betet um Glück. Im Auftrag seines Vaters hat der deutsche Kaufmannssohn ein Schiff von Danzig nach Lissabon begleitet, die Weizenladung verkauft, und anstatt nach Hause zu segeln, ist er gerade dabei, den gesamten Erlös zu verspielen. Damit nimmt Sturmers Schicksal eine abenteuerliche Wende nach der anderen.
Vor der maltesischen Insel Gozo, im Sommer 2019: Der Meeresarchäologe Timmy Gambin und sein Team machen eine sensationelle Entdeckung. Das Sonargerät an Bord des Forschungsbootes der Universität Malta zeigt eine Unregelmäßigkeit am Meeresboden an. Genau hier ist das Meer besonders tief, etwa 130 Meter. Die erfahrenen Wissenschafter:innen ahnen es: Hier liegt etwas! Und tatsächlich lassen erste Sonarbilder Gegenstände erkennen: Anker, Kanonen, Kanonenkugeln … Es gibt kein einziges Wrack am Grund des Mittelmeers, das bislang dieser Zeit der Piraterie zugeordnet werden konnte.
Zwischen diesen beiden Ereignissen liegen 500 Jahre, was sie miteinander zu tun haben, zeigt diese Hochglanzproduktion. Die beiden Handlungsstränge werden cineastisch miteinander verbunden und beleuchten ein weitgehend unerforschtes Kapitel europäischer Geschichte. Spektakuläre Spielszenen an Originalschauplätzen machen diese Epoche der Piraterie am Mittelmeer auf faszinierende Art wieder lebendig.
Piraterie als Big Business
Offiziell war die Piraterie damals ein lizensiertes Gewerbe im Einklang mit dem herrschenden Seerecht. Es sind keine Freibeuter, die den Erlös ihrer Beute in die eigene Tasche stecken. Es sind christliche wie muslimische Korsaren, die unter dem Schutz kleiner oder großer Machthaber Jagd auf feindliche Schiffe machen. Die Geschäftsidee besteht darin, Menschen zu verschleppen und nur gegen Lösegeld freizugeben. Wer nicht freigekauft wird, landet auf einem der Sklavenmärkte in Nordafrika oder Europa. Rudersklaven wurden schließlich von allen Herrscherhäusern benötigt. Der Erlös aus dem Verkauf der Beute wird aufgeteilt: auf lokale Machthaber, auf die Besatzung und auf kleine Investoren und Investorinnen. Jeder und jede kann das Ersparte in eine Kaperfahrt investieren und auf schnelles Geld hoffen. Wie historische Dokumente zeigen, haben Personen quer durch die Gesellschaft an diesem Geschäftsmodell Gefallen gefunden: die „kleinen Leute“, der Adel, die Kirche, sogar die Nonnen des Klosters St. Ursula auf Malta. Jeder konnte über Nacht reich werden oder ebenso schnell alles verlieren. Denn auch die Küstenregionen waren nicht sicher vor Korsarenüberfällen.
Zeugnisse einer blutigen Epoche
Auch Balthasar Sturmer (gespielt von Felix Stichmann) wird beide Seiten des blutigen Geschehens am Mittelmeer kennenlernen. Seine abenteuerlichen Erlebnisse sind von ihm selbst niedergeschrieben und wurden mit einer Reihe anderer Sklavenberichte aus ganz Europa an der Universität Innsbruck untersucht. Sturmers Bericht gilt als einer der ersten erhalten gebliebenen und zeichnet, trotz aller Schrecknisse, ein eindrucksvolles Bild seines Weges nach.
Eine erste Untersuchung datiert die Überreste des Schiffs vor Malta in Sturmers Zeit. Sie liegen allerdings in für Taucher:innen extrem gefährlicher Tiefe. Dieses erste Wrack am Hotspot der christlichen Piraterie wird nun im Rahmen dieser Dokumentation erforscht werden. Ein hochriskanter Tauchgang: In dieser Tiefe bleiben den Tauchern nur wenige Minuten Zeit, um das Wrack zu untersuchen oder Dinge zu bergen.
Wenn alles gut geht, wird die Wissenschaft erstmals materielle Zeugnisse aus dieser Zeit in Händen halten. Eine Ansammlung mehr oder weniger unversehrter Keramik ist auf den Bildern des Tauchroboters zu erkennen. Vielleicht führt sie zu einer Spur, die in den Archiven Maltas weiterverfolgt werden kann. Zu Tausenden liegen dort unerforschte Dokumente, die genaue Angaben über Schiffe, deren Ladung, Besatzung, Unglücke, Sklaven, deren Herkunft und Preis etc. enthalten. Sie warten darauf, mit eventuell am Meeresboden gefundenen Fakten abgeglichen zu werden.
Was Balthasar Sturmer und das Wrack vor Malta auf jeden Fall verbindet: Beide bewegten sich zur gleichen Zeit am Mittelmeer, auf dem ein blutiger Kaperkrieg zwischen christlicher und muslimischer Welt wütet. Und gemeinsam sollen sie auch helfen, wieder einige Rätsel dieser blutigen Epoche zu lösen.
Regie
Danielle Proskar