Menschen & Mächte
Verschleppt und ausgebeutet. Zwangsarbeit
Verschleppt und ausgebeutet. Zwangsarbeit in Österreich
"Die Polizei gibt keine Auskunft und droht Ihnen mit demselben Schicksal.“
So könnte man die Deportationsmethoden des NS-Regimes während des Russlandfeldzuges zusammenfassen. Schwer traumatisiert und entwurzelt landeten Hunderttausende sowjetische Jugendliche als Zwangsarbeiter in einer völlig fremden Umgebung.
„Hier wurde eine ganze Generation um Lebensperspektiven und Zukunftschancen gebracht“, erklärt Andreas Novak, der mit Wolfgang Stickler diese Dokumentation gestaltet hat.
„Ich Herr, du Magd“
An diese Begrüßung ihres neuen österreichischen Dienstherrn im Jahr 1942 erinnert sich Hanna Trimbutsch noch heute. Damals war sie 16 Jahre alt. „Verschleppt und ausgebeutet“ beschäftigt sich mit einem Aspekt nationalsozialistischer Verbrechen, der trotz seiner gewaltigen Dimensionen nur unzureichend im öffentlichen Bewusstsein verankert ist.
Während der Kriegsjahre war auf dem Gebiet des heutigen Österreich jede dritte Arbeitskraft ein/e Zwangsarbeiter/in.
Kriegsgefangene, KZ-Häftlinge oder deportierte Zivilisten hatten die durch Masseneinberufungen verloren gegangene Arbeitskraft zu ersetzen. 1944/45 schuftete etwa eine Million Menschen, um das auf Ausbeutung und Versklavung gebaute System nationalsozialistischer Kriegsökonomie bis zum Ende am Leben zu erhalten.
„Geht’s auf die Knie und reibt’s es ab“
Das rassenhierarchisch gebaute System der Zwangsarbeit mitsamt Demütigung und Freiheitsentzug setzt nicht erst mit Beginn des Vernichtungskrieges gegen die Sowjetunion ein, der sich heuer zum 70. Mal jährt, sondern bereits viel früher. Lotte Boneh erinnert sich noch genau an den „Charme“ der Wiener im Frühjahr 1938, an den Herrenmenschenrausch unter dem Hakenkreuz.
Mit dem „Anschluss“ beginnt die Zwangsarbeit in Österreich
Mit den Expansionskriegen entwickelt sich ein System konzentrischer Kreise, das sich unter anderem Richtung Polen, Westeuropa und die Sowjetunion ausdehnt. Jeder Feldzug bringt neben der Eroberung industrieller und agrarischer Ressourcen auch beachtliche, menschliche Beute für die deutsche Kriegswirtschaft: insgesamt bis zu zwölf Millionen Kriegsgefangene und Zivilisten. Damit zögert ein ökonomisch längst bankrottes Regime sein Ende höchst opferreich hinaus.
„Mein Schicksal interessiert sie wirklich? Bisher hat noch keiner gefragt.“
Außerdem berichtet der Film über das auf 2.300 Metern errichtete höchstgelegene Zwangsarbeitslager in Österreich. Die Dreharbeiten sollten zum Spiegelbild einer historischen Realität geraten: Nicht selten war das ORF-Zeitgeschichte-Team mit der verwunderten Frage konfrontiert: „Mein Schicksal interessiert sie wirklich? Bisher hat noch keiner gefragt.“ So wurden manche Interviews zu einer Art symbolischen Akt für einen stark verspätet bekundeten Respekt vor erlittenem Leid und oft irreparabler Entwurzelung.
„Wie kann ich verzeihen, wenn mich noch niemals wer um Verzeihung gebeten hat?“
Nach dem Kriegsende war das Schicksal der Zwangsarbeiter in der öffentlichen Erinnerung recht schnell ausgelöscht. Wie sagte einer von ihnen im TV-Interview: „Wie kann ich verzeihen, wenn mich noch niemals wer um Verzeihung gebeten hat?“
Gestaltung
Andreas Novak
Wolfgang Stickler