"Menschen & Mächte: Wieder ein Mensch sein und nicht nur eine Nummer": Gestalter Fritz Dittlbacher am Dachboden des Bauernhauses seiner Urgroßmutter. Er begibt sich in der Dokumentation auch auf die Spuren der eigenen Familiengeschichte.
ORF/www.SCHUH-TV.at/© Ing. Rene Schuh
Gestalter Fritz Dittlbacher am Dachboden des Bauernhauses seiner Urgroßmutter. Er begibt sich in der Dokumentation auch auf die Spuren der eigenen Familiengeschichte.
'80 Jahre Zweite Republik'

Menschen & Mächte

Wieder ein Mensch sein und nicht nur eine Nummer

Werbung Werbung schließen

Namenlos werden, kategorisiert und nummeriert, die Auslöschung des Individuellen, Entpersönlichung, eine der vielen Facetten des jahrelangen KZ-Terrors. Jene, die ihn etwa im Konzentrationslager Mauthausen überlebten, erhielten Namen und Menschenwürde am 5. Mai 1945 zurück, dem Tag der Befreiung durch US-Truppen. Nun öffneten sich die Tore. Doch was bedeuten Freiheit und wieder Mensch sein nach dem Holocaust? Wie kehrt man zurück ins normale Leben ohne Todesangst – im Wissen um die irreparable Beschädigung von Lebensperspektiven oder die Auslöschung der gesamten Familie? Das KZ Mauthausen verortet den Schrecken des NS-Regimes, ebenso wie dessen Nebenlager. Mauthausen, Auschwitz oder Dachau stehen aber auch für die Schuld. Wohl auch, um allen anderen die Möglichkeit zu geben, sich davon zu distanzieren: Das wirklich Schlimme, das habe schließlich dort stattgefunden, alle anderen konnten nichts davon wissen.

ORF-Reporter Fritz Dittlbacher hat sich in Mauthausen umgesehen - in der Gedenkstätte oben am Hügel, aber auch im Ort unten an der Donau. Dittlbacher versucht das KZ Mauthausen in seiner „Menschen & Mächte“-Dokumentation „Wieder ein Mensch sein und nicht nur eine Nummer“ nicht als eine von der Umgebung isolierte und abgekoppelte Todeszone zu betrachten. Konzentrischen Kreisen gleich erweitert er den Blick in die Umgebung des Lagers, bis hin in die idyllische Marktgemeinde Mauthausen, unten am Donauufer gelegen. Ein Name steht hier für zwei völlig unterschiedliche historische Lebenswirklichkeiten.

"Menschen & Mächte: Wieder ein Mensch sein und nicht nur eine Nummer": Manuel Garcia Barrado, der Sohn eines ehemaligen KZ-Häftlings aus Spanien, der nach der Befreiung in Mauthausen geblieben ist und später der Verwalter der Gedenkstätte war und Gestalter Fritz Dittlbacher
ORF/www.SCHUH-TV.at/© Ing. Rene Schuh
Manuel Garcia Barrado, der Sohn eines ehemaligen KZ-Häftlings aus Spanien, der nach der Befreiung in Mauthausen geblieben ist und später der Verwalter der Gedenkstätte war und Gestalter Fritz Dittlbacher.

Dittlbacher, selbst Oberösterreicher, thematisiert nicht nur die Jahre des Terrors zwischen 1938 und 1945, sondern auch die wichtige, selten gestellten Frage: Wie war es danach? Wie gingen die Menschen der Umgebung mit dem „Danach“ um, Bauern und Gewerbetreibende, die von Warenlieferungen ins KZ profitierten und Gewinne machten? Wie erlebten die Ortsbewohner/innen von Mauthausen die NS-Jahre, wie haben sie die „Geschichte der Nähe zur Todesmühle“ aufgearbeitet? Was bedeutet Gedenken heute? Erinnerung ist auch immer eine Form der Begegnung, eine Begegnung mit dem individuellen historischen Gedächtnis und seiner Vielschichtigkeit. All dem spürt der Gestalter nach.

Die Auskunftspersonen bei dieser Spurensuche sind die letzten Überlebenden des Konzentrationslagers, die Menschen, die rund ums KZ gelebt haben, zum Teil auch dort gearbeitet haben, als Zivilangestellte. Es geht um die Familien der Opfer und der Täter, die immer noch in Mauthausen leben. Und es geht um die Menschen von heute, um den Bürgermeister, um die Direktorin der Gedenkstätte, um die Schüler/innen des Ortes. Um den Fußballklub, der zu Kriegszeiten eine SS-Mannschaft war.

"Menschen & Mächte: Wieder ein Mensch sein und nicht nur eine Nummer": Aba Lewit, 97jähriger Überlebender des KZ Mauthausen, lebt heute in Wien.
ORF/www.SCHUH-TV.at/© Ing. Rene Schuh
Aba Lewit, 97jähriger Überlebender des KZ Mauthausen, lebt heute in Wien.

Es geht auch darum, wie der Markt Mauthausen heute immer noch im Schatten der NS-Zeit liegt. Und auch darum, wie die Erinnerung daran eben nicht an Mauthausen, Dachau oder Auschwitz ausgelagert werden darf. Fritz Dittlbacher illustriert auch anhand seiner eigenen Geschichte, anhand der Urgroßmutter, die im KZ war, wie sehr diese Zeit in jede Familie hineingewirkt hat und immer noch hineinwirkt. Wie sehr man danach bemüht war, nur noch nach vorne zu schauen, in die Zukunft, und ja nicht in die Vergangenheit mit ihrer Schuld und ihren Untaten.

Gestaltung

Fritz Dittlbacher