Jahrzehnte in Rot Weiß Rot
Die 30er Jahre - Wirtschaftskrise und Wunderteam
Der ORF setzt seine Erfolgs-Serie der „Jahrzehnte in Rot-Weiß-Rot“ mit den drei Jahrzehnten der Ersten Republik fort: Nach „Die 20er – Aufbruch in die neue Zeit“ (Regie: Birgit Mosser-Schuöcker) folgt am Freitag, dem 27. Dezember, um 23.25 Uhr in ORF 2 und auf ORF ON die von Martin Betz gestaltete Dokumentation „Die 30er Jahre – Wirtschaftskrise und Wunderteam“. Am Montag, dem 30. Dezember, stehen „Die 40er Jahre – Trauma und Hoffnung“ (Regie: Wolfgang Stickler) im Mittelpunkt.
Herbert Prohaska erinnert sich an seinen Vater: „Für ihn war ich immer der Beste, mit einer Einschränkung: Einer war noch besser, das war der Sindelar!“ Matthias Sindelar war Stürmer-Star des österreichischen Fußball-„Wunderteams“, als es mitten in der Weltwirtschaftskrise von Sieg zu Sieg eilte.
Bis zu 600.000 Menschen sind arbeitslos, viele davon „ausgesteuert“, also ohne Arbeitslosengeld. Sie leben von Almosen und scheinen nicht einmal mehr in der Arbeitslosenstatistik auf, so als ob der Staat sie aufgegeben hätte.
Eine Folge von Verzweiflung und Zukunftsangst ist politische Gewalt: 1933 kommt es zur Ausschaltung von Parlamentarismus und demokratischen Staatsstrukturen durch Bundeskanzler Engelbert Dollfuß, 1934 zum Bürgerkrieg. Tarek Leitner: „Die Schule hat die Kinder nach Hause geschickt. Mein Vater ist auf einem Umweg Richtung Landstraße unterwegs gewesen, als ein Schuss seinen Wintermantel durchschlägt.“ Wenige Monate später wird Engelbert Dollfuß von Nationalsozialisten ermordet. Ursula Strauss: „Die ganze Welt ist umgewälzt worden.“
Die politischen und wirtschaftlichen Krisen lassen viele Menschen nach Ablenkung suchen. Die Theater und Kleinkunstbühnen sind voll, immer mehr Kinos locken mit Leuchtreklame zum neuen Spektakel des Tonfilms. In den 30er Jahren beginnt auch die Zeit der Schlagermusik auf Schellack und Grammofon in vielen Wohnzimmern in ganz Österreich. Erika Pluhar: „Meine Oma hat Richard Tauber gehört, ihr großer Liebling.“
Immer größer wird nach 1933 der politische und wirtschaftliche Druck aus dem ,Dritten Reich’, immer offener die Unterstützung für die verbotene österreichische NSDAP. Die „1000-Mark-Sperre“ schädigt gezielt den aufkeimenden Alpen-Tourismus. Helmut Peter, Altwirt im „Weißen Rössl“ am Wolfgangsee: „Schwierige Zeiten, die die Menschen mit viel Kraft durchgestanden haben. Und die Frauen haben wie immer die Arbeit gemacht.“
Mit der Einführung eines Arbeitsdienstes oder Projekten wie dem Bau der Großglockner-Hochalpenstraße versucht der „Ständestaat“ dagegenzuhalten. Ernst Piëch, Enkel von Autokonstrukteur Ferdinand Porsche: „Das ist schon eine gewaltige Strecke gewesen, die vom Auto einiges abverlangt hat. Ich kann mich erinnern, nach der 16. Kurve hat’s bei uns auch gekocht.“
1938 fordert Kurt Schuschnigg die österreichische Bevölkerung noch auf, „bis in den Tod rot-weiß-rot“ zu bleiben. Bald darauf wird ein Großteil der Bevölkerung für den „Anschluss“ stimmen. Damit endet die Unabhängigkeit Österreichs.
Tarek Leitner: „Die positive Wirtschaftsentwicklung ist tatsächlich eingetreten. Und mein Großvater hat sich ein neues Auto gekauft.“
Gleichzeitig beginnen Verhaftungen von politischen Gegnern und antisemitische Verfolgungen: Ernst Piëch: „Ich bin in eine Privatschule gegangen und auf einmal war die Hälfte der Klasse nicht mehr da.“ Erika Freeman, Psychoanalytikerin, 1927 geboren in Wien: „BDM und Hitlerjugend haben auf uns gewartet. Die haben so eine Freude gehabt, uns zu verprügeln.“
November 1938: Beim so genannten Novemberpogrom werden jüdische Geschäfte geplündert, Synagogen zerstört und Jagd auf die jüdische Bevölkerung gemacht. Georg Stefan Troller: „Der Hinterhof der Polizeiwache ging direkt auf die Hinterfenster unserer Buchbinderei. Ich konnte alles sehen.“ Ein Jahr später überfällt die Wehrmacht Polen, der Zweite Weltkrieg beginnt.