Henker wider Willen- Ein Scharfrichter im 16. Jahrhundert
ORF/Storyhouse/Jürgen Rehberg
Mit 19 Jahren vollzieht Frantz Schmidt seine Gesellenprüfung. Er muss zum ersten Mal einen Mann enthaupten.

Universum History

Henker wider Willen - Ein Scharfrichter im 16. Jahrhundert

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Nürnberg Ende 16. Jahrhundert: Der Henker Frantz Schmidt kämpft mit dem unehrlichen Ruf seines Berufs. Trotz sozialer Ausgrenzung strebt er nach familiärer Ehre.

Nürnberg, 1593: Als Scharfrichter wird Frantz Schmidt gefürchtet, aber auch ausgegrenzt. Obwohl er als Henker Gerichtsurteile exekutiert, haftet ihm und seiner Familie das Stigma der „Unehrlichkeit“ an. Diesen Makel aber will Schmidt nicht hinnehmen. Es muss sich etwas ändern. Mit einem Tagebuch, in dem er detailgetreu seine Tätigkeit als Henker beschreibt, hofft er allen Widerständen zum Trotz das Unmögliche zu erreichen: seine Familienehre wiederherzustellen. Die „Universum History“-Dokumentation „Henker wider Willen – Ein Scharfrichter im 16. Jahrhundert“ von Sigrun Laste und Vivien Schwarzenberg (ORF-Bearbeitung: Hans Wu) zeigt den Alltag eines Henkers um 1590. Interviews mit Experten und Expertinnen erweitern den Blick auf eine auch in ihrer Rechtsprechung gewalttätige Zeit.

Straftäter wird mit Pferdekutsche zum Richtplatz geführt. Hinter ihm sein Henker.
ORF/Storyhouse/Jürgen Rehberg
Hinrichtungen in der Frühen Neuzeit sind öffentlich und dienen der Abschreckung aber auch der Legitimierung der Urteile.

Gegen das Stigma

Es ist eine wahre Geschichte, basierend auf den Aufzeichnungen des Scharfrichters Frantz Schmidt, die weit mehr offenbaren als nur den blutigen Alltag eines Henkers. Obwohl er als letzte Instanz der Gerichtsbarkeit des 16. Jahrhunderts handelt, ringt Schmidt mit den moralischen Konflikten und der gesellschaftlichen Ausgrenzung, die untrennbar mit seinem „unehrlichen“ Handwerk verbunden sind. „Man muss zwischen den Zeilen lesen, um zu erkennen, wie er wirklich mit seiner Position gehadert hat, obwohl er sie pflichtbewusst erfüllte“, erklärt Historiker Joel Harrington. Er beschreibt Schmidt als einen Mann voller Widersprüche, der nicht nur Henker war, sondern auch Vater, Ehemann und Heiler.

Der Henker heilt einen Kranken
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Frantz Schmidt ist sehr erfahren als Heiler, denn er muss ständig bei der Folter Arme ausrenken und wieder einrenken und Wunden heilen.

Beruf und Berufung

Mit 19 Jahren exekutiert Schmidt zum ersten Mal – mit dem Schwert. Der ehrenvollste Tod für einen Delinquenten, der schwierigste für den Scharfrichter, denn die richtige Stelle am Hals mit dem richtigen Kraftausmaß zu treffen, erfordert höchste Präzision und Können. Fertigkeiten, die Frantz Schmidt von seinem Vater gelernt hat. Die Schatten seines Berufs sind seine ständigen Begleiter. Um seiner Familie ein würdigeres Leben zu ermöglichen, widmet sich Schmidt zunehmend einer für Scharfrichter üblichen Nebentätigkeit: als Heiler. Menschen aller Gesellschaftsschichten besuchen ihn im Henkerhaus, um sich von ihm helfen zu lassen. Gleichzeitig übt Frantz sein blutiges Handwerk mit größter Präzision aus – getrieben von der Hoffnung, es eines Tages hinter sich lassen zu können.

Jesus auf Kreuz in der Kirche
ORF/Storyhouse/Christoph Valentin
Nach dem Vorbild der Kreuzigung Jesu Christis bezeugen die Bildnisse in der Sebalduskirche in Nürnberg, wie die Frühe Neuzeit Hinrichtungen volllzog.

Öffentliche Hinrichtung als Spektakel für das Volk

Schmidts Aufzeichnungen gewähren einen erschütternden Einblick in die Brutalität der Justiz der frühen Neuzeit. Detailliert offenbart das Tagebuch die gängigen Strafen seiner Zeit, wie sie auch in der Constitutio Criminalis Carolina, dem ersten deutschen Gesetzbuch, festgeschrieben sind. Hinrichtungen waren keine bloßen Rechtsakte, sondern öffentliche Spektakel. „Eine Hinrichtung ist ein religiöses Ritual, mit dem nicht nur die Rechtsprechung legitimiert, sondern auch die aufgebrachte Menge zufrieden gestellt wird“, erklärt Strafrechtshistoriker Markus Hirte.

Regie

Sigrun Laste

Vivien Schwarzberg