Anlässlich des 15.TT von Jörg Haider am 11.10.:

zeit.geschichte

Die Geschichte des Dritten Lagers

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Das Dritte Lager bezeichnet in Österreich die politischen Bewegungen der deutschnationalen und nationalliberalen Wählerschaft. Die Wurzeln des Dritten Lagers reichen weit in die Zeit der k.u.k. Donaumonarchie zurück, wo alle Bewegungen, von deutschvölkischen bis hin zu deutschfreisinnigen, die Vereinigung aller deutschsprachigen Gebiete in einem Großdeutschen Reiche forderten. Das kaiserliche Österreich, in dem die Deutschen zwar die politische und kulturelle Führung innehatten, aber nicht die Mehrheit der Bevölkerung stellten, sahen die Deutschnationalen als Bedrohung des Deutschtums an.

1882 hatten Karl Lueger, Viktor Adler und Georg Ritter von Schönerer im Cafe Griensteidl das „Linzer Programm“ verfasst, das als Alldeutsches Manifest die ideologische Basis der Deutschnationalen in Österreich wurde. Die drei Männer symbolisieren die unterschiedlichen politischen Richtungen, die Österreich seit mehr als einem Jahrhundert prägen: Christlichsoziale, Sozialdemokraten und Deutschnationale.

Grundlage des sogenannten Dritten Lagers in der Republik ab 1918 ist die Überzeugung, dass Österreich nach dem Verlust der nicht-deutschsprachigen Gebiete durch den Zerfall der Habsburger-Monarchie keine wirtschaftliche Existenzmöglichkeit als eigener Staat hätte. Die Sehnsucht nach einem Anschluss „Deutschösterreichs“ als Bundesstaat innerhalb des Deutschen Reichs wird – mit Ausnahme der wenigen verbliebenen Monarchisten – anfangs in allen Parteien – den Christlichsozialen, wie den Sozialdemokraten – geteilt. Das im Friedensvertrag von St. Germain festgeschriebene „Anschlussverbot" wird bis zur Machtergreifung Adolf Hitlers in Berlin beklagt.

Nur langsam entwickelt sich ein österreichisches Nationalbewusstsein. Der autoritäre Ständestaat entwickelt ab 1933 in einem verzweifelten Versuch der Abgrenzung von Nazi-Deutschland eine „Österreich-Ideologie", die aber auch aufgrund der diktatorischen Regierungsform von breiten Kreisen der Bevölkerung, insbesondere der sozialdemokratischen Arbeiterschaft, nicht mitgetragen wird. Die Anhänger der deutschnationalen Parteien, die ohnehin nur noch eine kleine Minderheit repräsentierten, gehen überwiegend ins Lager der gewaltbereiten Nationalsozialisten.

Nach der politischen, militärischen und moralischen Katastrophe Ende des Zweiten Weltkriegs und des Holocausts wurden bei der ersten Nationalratswahl 1945 rund 700.000 ehemalige österreichische NSDAP-Mitglieder und anders Belastete vom Wahlrecht ausgeschlossen. Als diese zur nächsten Wahl 1949 wieder zugelassen wurden, warben Sozialdemokraten und Christlichsoziale um die Stimmen der sogenannten „Ehemaligen„. Als Sammelbecken dieser Wählergruppe wurde mit dem Verband der Unabhängigen (VdU) eine “vierte" Partei (neben ÖVP, SPÖ und KPÖ) gegründet. Der VdU konnte bei der ersten Wahl mehr als 400.000 Stimmen verbuchen.

Der Begriff „Drittes Lager" wurde von da an für die Gruppe der deutschnationalen und nationalliberalen Wähler verwendet, analog zu den Lagern der konservativen ÖVP und der sozialistischen SPÖ. Nach der Unterzeichnung des Staatsvertrages 1955 erfolgte dann ein Jahr später die Gründung der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ) als Nachfolgeorganisation des in sich zerstrittenen VdU. Der erste Obmann der FPÖ war mit Anton Reinthaller ein ehemaliger NS-Funktionär. Seine Wahl unterstreicht die Neuausrichtung der FPÖ in Richtung nationaler Kernwählerschichten.

Über Jahrzehnte versuchte die FPÖ einen Keil in den rot-schwarzen Proporz zu treiben. Annäherungsversuche an die ÖVP unter Kanzler Julius Raab und später an die SPÖ unter Bruno Kreisky blieben langfristig erfolglos. Erst Parteiobmann Jörg Haider verwandelte die FPÖ zu einer Partei neuen Typs. Mit populistischen Aktionen, dem Kampf gegen Privilegien und Zuwanderung konnte Haider die FPÖ bei Wahlen zu einer (mit-)bestimmenden Größe machen.

Die Dokumentation von Gerhard Jelinek beschreibt die geschichtlichen Wurzeln des Dritten Lagers in Österreich, und ob oder wie sie heute noch wirken.

Gestaltung

Gerhard Jelinek