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Blutiger Boden, reiche Gewinne - Die Wirtschaftsmacht der SS

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Im Graubereich zwischen Staat, Partei und Privat entwickelt sich die SS unbemerkt zu einer Wirtschaftsmacht. Gewinnverschleierung, Steuertricks und Sklavenarbeit werden dabei von Hitler gedeckt. Vor dem Hintergrund der „Blut-und-Boden-Politik“ nützen Himmlers Männer die Arbeitskraft von KZ-Gefangenen für ihre ökonomischen Ziele. Wie gelingt es der SS, abseits der öffentlichen Wahrnehmung ein verschachteltes Firmennetzwerk aus dutzenden Großunternehmen zu errichten? Als Heinrich Himmler im Jahr 1929 die Führung der „Schutzstaffel“ (SS) übernimmt, ist diese noch eine unbewaffnete Unterabteilung der „Sturmabteilung“ (SA).

Von Beginn an verfolgt Himmler das Ziel, mit der SS die „Blut-und-Boden“-Ideologie zu verwirklichen und seine Verbände damit zur Elite des Nationalsozialismus zu machen. Dafür strebt er eine größtmögliche Unabhängigkeit an - auch in wirtschaftlicher Hinsicht. 1933 lässt er zahlreiche Werkstätten beim KZ Dachau errichten. Neben einer Tischlerei, eine Schneiderei und einer Fleischerei sollen noch weitere Betriebe der Selbstversorgung der SS dienen. Daneben betreiben Himmlers Einheiten bald auch Arzneimittelforschung und biologisch-dynamischen Heilkräuteranbau - alles unter Einsatz von Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern aus den Konzentrationslagern.

Um sich die Gunst Adolf Hitlers zu sichern, unterstützt Heinrich Himmler ab 1938 dessen Städtebaupläne mit der Gründung der „Deutschen Erd- und Steinwerke GmbH“. Diese soll Baumaterialien für die Hauptstadt „Germania“ und andere Städte liefern. Neue Konzentrationslager in Buchenwald, Flossenbürg, Mauthausen und Gusen werden gegründet, um die örtlichen Steinbrüche mit Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern zu versorgen. Später entsteht auch das gigantomanische Klinkerwerk Oranienburg, dessen Ausbau in einem finanziellen Desaster für die SS endet. Aber nicht nur die Baustoffbranche ist interessant. Es wird mit der „Gesellschaft für Textil und Lederverwertung mbH“ ein Bekleidungsunternehmen gegründet. Des Weiteren werden auch Mineralwasserquellen gekauft und Keramik produziert.

Außerhalb des sogenannten „Altreichs“ intensiviert die SS ihre Wirtschaftsaktivitäten ebenfalls. Zur Umsetzung der „Blut-und-Boden“- beziehungsweise der Lebensraum-Politik entstehen eigene Möbelwerke und Finanzierungsgesellschaften. Zunehmend wächst jedoch der Protest der deutschen Industrie. Die Existenz der SS-Betriebe mit den kostlosen Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern bleibt nicht verborgen. Gezwungenermaßen stimmt der SS-Wirtschafts-Chef, Oswald Pohl, der Vermietung von Häftlingen an Unternehmen außerhalb seines Einflussbereichs zu. So wird ein gigantischer Sklavenmarkt in Gang gesetzt, mit dem wiederum Profit erzielt wird.

Himmlers Verbände geraten jedoch in Bedrängnis. Die Konzentrationslager gehören formell dem Reich, weshalb die von den KZ-Häftlingen erwirtschafteten Gewinne eigentlich an das Finanzministerium abgeführt werden müssten. Über eine komplexe Konstruktion von Gesellschaften und Holdings versuchen Himmler und seine Mitarbeiter, die Gewinne zu verschleiern, bis das System auffliegt und Millionenbeträge an den Staat rückerstattet und Steuern nachgezahlt werden müssen. Auf dem Höhepunkt ihres Einflusses betreibt die SS über 30 Großkonzerne und mehr als 100 Betriebe.

In der Dokumentation „Blutiger Boden, reiche Gewinne“ erzählt Regisseur Andreas Kurz über eines der am wenigsten bekannten Kapitel deutscher Zeitgeschichte und eröffnet einen neuen Blick auf die Hintergründe der NS-Vernichtungspolitik.

Gestaltung

Andreas Kurz