'80 Jahre Zweite Republik'

Unser Österreich

Kärnten - Zweisprachig und vielfältig

Werbung Werbung schließen

Kärnten hat seit der Staatsgründung 1945 Jahrzehnte des Fortschritts hinter sich, aber auch Jahrzehnte der politischen Auseinandersetzung. Der Konflikt zwischen Deutsch-Kärntnern und Kärntner Slowenen führte erst im 21. Jahrhundert, mit einer Lösung bei der Ortstafelfrage, zu einem für beide Seiten zufriedenstellenden Ausgleich. ORF-Redakteurin Martina Steiner hat für den ORF-Programmschwerpunkt „80 Jahre Zweite Republik“ die Dokumentation „Kärnten – Zweisprachig und vielfältig“ gestaltet – ein spannendes Porträt des südlichsten Bundeslandes Österreichs.

Kärnten, im Frühjahr 1945: Im Süden des Landes, wo neben Deutsch auch Slowenisch gesprochen wird, leisten Partisaninnen und Partisanen in den Wäldern Widerstand gegen das NS-Regime. Kurz vor Kriegsende rücken die Briten in Klagenfurt ein, es kommt zu einem Wettlauf mit jugoslawischen Truppen, die – wie schon nach dem Ersten Weltkrieg – Anspruch auf Teile des gemischtsprachigen Gebietes erheben. Doch die Briten bringen ihre Kanonen auf dem Neun Platz in Klagenfurt in Stellung: „Sie haben Druck ausgeübt, wenn ihr nicht weicht, dann machen wir ernst“, sagt der Historiker Hellwig Valentin.

Nach Kriegsende wird in Wolfsberg ein Internierungslager für NS-Sympathisanten eingerichtet, von einfachen Parteimitgliedern bis hin zu hochrangigen Nazi-Funktionären. Sie sollten umerzogen werden für ein Leben im demokratischen System der Zweiten Republik. Dass dies nicht immer gelingt, zeigt die Familiengeschichte von Marijan Raunikar, die sich etwa an einem Briefwechsel seiner Großeltern zeigt. Sie haben sich im Lager kennengelernt, aber ihre NS-Ideologie nicht aufgegeben: „Es ist sehr gut, dass man das aufarbeitet, für die nachfolgenden Generationen.“

Bild von
"Unser Österreich: Kärnten": Britische Soldaten nach Kriegsende in Kärnten
ORF/ORF-Kärnten
Britische Soldaten nach Kriegsende in Kärnten
"Unser Österreich: Kärnten": Umerziehungslager Wolfsberg
ORF/ORF-Kärnten
Umerziehungslager Wolfsberg
"Unser Österreich: Kärnten": Slowenen Proteste Artikel 7- In Bezirken mit slowenischer, kroatischer oder gemischter Bevölkerung wird die slowenische oder kroatische Sprache zusätzlich zum Deutschen als Amtssprache zugelassen.
ORF/ORF-Kärnten
Slowenen Proteste, Artikel 7: In Bezirken mit slowenischer, kroatischer oder gemischter Bevölkerung wird die slowenische oder kroatische Sprache zusätzlich zum Deutschen als Amtssprache zugelassen.
"Unser Österreich: Kärnten": Streit über das Aufstellen von zweisprachigen Ortstafeln in Kärnten
ORF/ORF-Kärnten
Streit über das Aufstellen von zweisprachigen Ortstafeln in Kärnten
"Unser Österreich: Kärnten": Streit über das Aufstellen von zweisprachigen Ortstafeln in Kärnten
ORF/ORF-Kärnten
Streit über das Aufstellen von zweisprachigen Ortstafeln in Kärnten
"Unser Österreich: Kärnten": Ortstafellösung: Am 26. April 2011 wurde der Streit über das Aufstellen von zweisprachigen Ortstafeln in Kärnten beendet.
ORF/ORF-Kärnten
Ortstafellösung: Am 26. April 2011 wurde der Streit über das Aufstellen von zweisprachigen Ortstafeln in Kärnten beendet.
"Unser Österreich: Kärnten": Zweisprachige Ortstafeln
ORF/ORF-Kärnten
Zweisprachige Ortstafeln
"Unser Österreich: Kärnten": Rinkenberg
ORF/ORF-Kärnten
Rinkenberg
"Unser Österreich: Kärnten": Zwillingsschwestern Rosi Polesnig ( links) und Maria Wautsche (rechts)
ORF/ORF-Kärnten
Zwillingsschwestern Rosi Polesnig ( links) und Maria Wautsche (rechts)
"Unser Österreich: Kärnten": Franz Klammer
ORF/ORF-Kärnten
Franz Klammer
"Unser Österreich: Kärnten": Tourismus am Wörthersee in den 50er Jahren
ORF/ORF-Kärnten
Tourismus am Wörthersee in den 50er Jahren
"Unser Österreich: Kärnten": Parkhotel Pörtschach
ORF/ORF-Kärnten
Parkhotel Pörtschach
"Unser Österreich: Kärnten": 1986 wurde Jörg Haider zum neuen Parteivorsitzenden der FPÖ gewählt.
ORF/ORF-Kärnten
1986 wurde Jörg Haider zum neuen Parteivorsitzenden der FPÖ gewählt.
"Unser Österreich: Kärnten": Historiker Hellwig Valentin
ORF/ORF-Kärnten
Historiker Hellwig Valentin
"Unser Österreich: Kärnten": Großglockner
ORF/ORF-Kärnten
Großglockner
"Unser Österreich: Kärnten":
ORF/ORF-Kärnten
"Unser Österreich: Kärnten": Kölnbreinsperre
ORF/ORF-Kärnten
Kölnbreinsperre
"Unser Österreich: Kärnten": Kölnbreinsperre
ORF/ORF-Kärnten
Kölnbreinsperre
"Unser Österreich: Kärnten": Zweisprachige Schule
ORF/ORF-Kärnten
Zweisprachige Schule
"Unser Österreich: Kärnten": Lojze Wieser
ORF/ORF-Kärnten
Lojze Wieser
"Unser Österreich: Kärnten": Volksabstimmung in Kärnten 1920
ORF/ORF-Kärnten
Volksabstimmung in Kärnten 1920

Die Dramaturgie der TV-Doku bewegt sich entlang der Biografie der beiden Zwillingsschwestern Rosi Polesnig und Maria Wautsche. Sie wurden in eine kleinbäuerliche Familie der slowenischen Volksgruppe hineingeboren. „Die Mutter ging zu Nachbarn arbeiten und hat uns mitgenommen, damit auch wir etwas zu essen bekommen“, erzählt Maria. Über Politik wird in der Familie nicht viel gesprochen. Auch nicht, als der Staatsvertrag 1955 die Rechte der slowenischen Minderheit festschreibt, zweisprachige Ortstafeln inklusive. 1972 werden zweisprachige Ortstafeln aufgestellt, aber von deutsch-national gesinnten Kärntnern kurzerhand abmontiert. Historiker Valentin: „Bombendrohungen waren damals an der Tagesordnung, in gewisser Weise befand sich Kärnten am Rande bürgerkriegsartiger Verhältnisse“.

Verbindend wirkt der Sport: 1976 gewinnt Franz Klammer die Goldmedaille bei den Olympischen Spielen in Innsbruck und wird damit zum Idol für ganz Österreich. „Ich habe das Rennen gewinnen müssen“, sagt er im ORF-Interview.

1989 kommt es mit Jörg Haider von der FPÖ zum politischen Systemwechsel in Kärnten. „Nach 44 Jahren zeigen sich negative Seiten, Stichwort Parteibuchwirtschaft, wer keine Nähe zur SPÖ oder zum kleineren Teil auch zur ÖVP hatte, konnte nicht Schuldirektor werden“, sagt Historiker Hellwig Valentin. Geopolitische Veränderungen haben 1991 Auswirkungen auf Kärnten: Der Zerfall Jugoslawiens bedeutet Krieg an der Landesgrenze, das österreichische Bundesheer rückt mit Panzern an, die Luftabwehr steht im Grenzsicherungseinsatz.

Erst im Jahr 2011, 56 Jahre nach dem Staatsvertrag, kommt es zu einer einvernehmlichen Lösung zwischen den beiden Konfliktparteien Kärntens: in zweisprachigen Gemeinden mit mindestens 17,5 Prozent slowenischsprachiger Bevölkerung werden zweisprachige Ortstafeln aufgestellt. Mittlerweile ist Kärntens Nachbarland Slowenien in der EU und das gemischtsprachige Gebiet in Südkärnten kein vernachlässigter Grenzraum mehr. Und wie die Nachkommen von Rosi und Maria zeigen, unterscheiden sich die Wünsche und Ziele der jungen Menschen in Kärnten kaum voneinander, egal welcher Volksgruppe sie angehören. Alle träumen von Beruf und Familie und einem friedlichen Leben im Schnittpunkt der drei großen europäischen Kulturkreise, dem slawischen, dem romanischen und dem germanischen.