Erbe Österreich

Ein Leben als Dienstmädchen - Schicksal in der Kaiserzeit

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Berlin, 1906: Die Hauptstadt des deutschen Kaiserreichs boomt, der wirtschaftliche Aufschwung treibt Millionen Zuwanderinnen und Zuwanderer in die aufstrebende Stadt. Die reiche Oberschicht lebt im Überfluss, das Proletariat ringt in den Armenvierteln um eine menschenwürdige Existenz. In einer spannenden Zeitreise zeigt die „Universum History“-Dokumentation „Ein Leben als Dienstmädchen – Schicksal in der Kaiserzeit“ von Sigrun Laste, Thomas Lischak und Jochen Ruderer (ORF-Bearbeitung: Ronja Scherzinger) am Montag, dem 17. Oktober, um 12.00 Uhr in ORF 2 anhand des fiktiven Dienstmädchens Minna Eschler das Schicksal des Dienstpersonals zur Jahrhundertwende. Sie und andere Hausangestellte sind quasi rechtlos, körperlichen Züchtigungen und sexuellen Übergriffen sind sie hilflos ausgeliefert, sozial sind sie nicht abgesichert und ihr Arbeitstag dauert oft 16 Stunden lang. Das Leben von Kaisern und Königinnen ist umfassend erforscht und dokumentiert. Der Alltag ganz normaler Menschen hingegen ist wenig bekannt, steckt aber voller Überraschungen und eröffnet einen neuen, aufschlussreichen Blick auf unsere Geschichte.

ORF/ZDF/Karsten Flögel
Im Bild: Mit der Elektrifizierung halten ab 1900 die ersten strombetriebenen Geräte Einzug in die Haushalte wie diese Kaffeemaschine.

Eine Zeit des technischen Fortschritts

Das Leben in der blühenden Metropole Deutschlands ist getragen von der Dynamik der Industrialisierung, des technischen Fortschritts und dem damit einhergehenden wirtschaftlichen Aufschwung. Innerhalb weniger Jahrzehnte verzehnfacht Berlin seine Einwohnerzahl. Vor allem die arme Landbevölkerung aus dem Osten strömt zu Hunderttausenden in die Hauptstadt. Minna ist eine von ihnen – auf der Suche nach einer Zukunft, die sie in den bitterarmen Landstrichen Pommerns oder Schlesiens nicht hat. An Minnas Arbeitsplatz im Haushalt eines Stuhlrohrfabrikanten hält der Fortschritt auch Einzug. In der Küche gibt es neuartige Geräte: die erste elektrische Kaffeemaschine und einen strombetriebenen Eierkocher. Doch die Hierarchien sind undurchlässig – in der Gesellschaft wie in der Familie. In der Kaiserzeit funktioniert alles nach Befehl und Gehorsam. Neuankömmlinge wie Minna stehen ganz unten, nur knapp über Prostituierten oder Kriminellen. Ihr Arbeitstag dauert 16 Stunden, Minna hat keinerlei Rechte, ist den Launen und sexuellen Übergriffen der Herrschaft willkürlich ausgeliefert. Soziale Absicherung gibt es für das Hauspersonal keine.

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Im Bild: Ausgewählte Waren kauft man 1907 im Kolonialwarenladen.

Hoffnung auf ein besseres Leben

Auch in Wien gibt es um die Jahrhundertwende einen enormen Zustrom, in diesem Fall aus den Kronländern Böhmen und Mähren – und aus den ländlichen Regionen Niederösterreichs. Knapp 100.000 Frauen verdingen sich als Dienstmädchen in den Häusern des Bürgertums. Gekommen sind sie in der Hoffnung auf ein besseres Leben – ihr Alltag ist allerdings ernüchternd. Es gilt das Dienstbotengesetz aus dem 19. Jahrhundert, das die körperliche Züchtigung des Personals ausdrücklich erlaubt, sie leben in völliger Abhängigkeit von ihrer Herrschaft.

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Im Bild: Das Dienstmädchen Minna Eschler (Lara-Maria Wichels) hatte einen 16-Stunden Tag.

Die Spieldokumentation „Ein Leben als Dienstmädchen – Schicksal in der Kaiserzeit“ schildert einen Tag im Leben des fiktiven Dienstmädchens Minna Eschler. Minnas Kampf gegen Diskriminierung, Ungerechtigkeit und Misshandlung steht beispielhaft für das Los Hunderttausender Frauen, denen ein freies, selbstbestimmtes Leben verwehrt wurde. Und auch für ein Stück Hoffnung: Sozialdemokratische Frauenvereine organisierten illegale Jobbörsen, um diesen Frauen zu helfen – so bewirbt sich Minna Eschler erfolgreich in einem Berliner Nobelhotel und steigt zur Küchengehilfin mit geregelten Arbeitszeiten und Chancen auf berufliches Weiterkommen auf.

Gestaltung

Sigrun Laste

Thomas Lischak

Jochen Ruderer

Bearbeitung

Ronja Scherzinger