Universum History

Österreichs Schicksal in Frauenhand

Werbung Werbung schließen

Ob in den Munitionsfabriken Niederösterreichs, bei der Verwundetenpflege in Kärntens Krankenhäusern, ob in der Stahlindustrie in Oberösterreich oder bei der politischen Arbeit in der Wiener Arbeiterzeitung: Frauen mussten in den Jahren des Ersten Weltkriegs den Ausfall der Männer kompensieren. Während die Männer an der Front waren, mussten Frauen mit noch höherem Einsatz in gefährlichen Berufen schuften und ein Management des Mangels betreiben. Doch diese Bewährungsproben ergaben auch die Chance, jene Partizipation zu erreichen, die politisch längst gefordert wurde – die Gleichstellung von Männern und Frauen. Mit einer eindrucksvollen Bestandsaufnahme quer durch alle Bundesländer zeigt Regisseurin Anita Lackenberger am Freitag, dem 7. Oktober, um 23.05 Uhr in ORF 2 in der „Universum History“-Dokumentation „Österreichs Schicksal in Frauenhand“ die andere Seite des Ersten Weltkriegs. Der Film entstand als Koproduktion von ORF, Produktion West und BMBWF mit Unterstützung von Fernsehfonds Austria, Land Niederösterreich, Land Tirol, Cine Carinthia – Land Kärnten und Land Vorarlberg.

ORF/Produktion West/Gerhard Mader
Im Bild: Unruhe beim Greisler. Die Lebensmittel werden knapp.

Ein Ringen um das Überleben

Frauen sind in Kriegszeiten immer gefordert – der Erste Weltkrieg stellte da keine Ausnahme dar. Er verlangte den Frauen ein Übermaß im Ringen um das Überleben ab. Frauen waren die Heldinnen der Heimat, sie zauberten nicht nur aus dem Nichts Mahlzeiten, sie mussten auch anstelle der Männer in Fabriken und Betrieben arbeiten. „Österreichs Schicksal in Frauenhand“ zeigt diesen Kampf anhand unterschiedlicher Beispiele – die Biografien zweier Frauen werden dabei genauer beleuchtet: Jene von Adelheid Popp, Doyenne der sozialistischen Frauen, sowie jene von Katharina Neumayer, einer wichtigen Vertreterin der christlichen Dienstbotenvereinigung. Während Popp im Ersten Weltkrieg schon eine etablierte politische Funktionärin ist, hat Katharina Neumayer als junges Dienstmädchen ihre Karriere noch vor sich. Beide haben im Krieg schwere Schicksalsschläge zu verkraften: Popp verliert ihren Sohn. Neumayer verliert bei einem Unfall beide Beine und muss fortan mit Beinprothesen ihr Leben meistern. Das gelingt ihr bis ins sehr hohe Alter, sie stirbt 107-jährig.

ORF/Produktion West/Gerhard Mader
Im Bild: Katarina Hauser als Katharina Neumayer, Dienstmädchen und spätere Leiterin der Gewerkschaft der Hausarbeiterinnen.

Originalgetreue Schauplätze

Neben Adelheid Popp – in den Spielszenen dargestellt von Kristina Sprenger – und Katharina Neumayer – dargestellt von Katharina Hauser – zeigt der Film auch die Lebensrealität anderer Frauen im Ersten Weltkrieg: Frauen, die vergeblich auf Milch warten, Milch, die es in den Städten ohnehin kaum noch gibt. Frauen und ihre Rolle beim Aufstand der Schwazer Tabakarbeiterinnen – die „Anführerin“ wird von Ute Heidorn dargestellt – oder bei den „Brotdemonstrationen“ in Vorarlberg. Klagenfurt ist ein weiterer Schauplatz: Dort tritt eine tapfere Mitstreiterin von Adelheid Popp, Maria Tusch, auf den Plan. Sie ist eine energische Betriebsrätin der Klagenfurter Tabakarbeiterinnen.

Speziell für diese Dokumentation wurde in St. Pölten die Arbeiterwohnung von Adelheid Popp originalgetreu nachgebildet, ebenso der herrschaftliche Haushalt, in dem Katharina Neumayer gearbeitet hat. Ein weiterer Schauplatz war das Wiener „Vorwärtshaus“, die ehemalige Parteizentrale der „Sozialdemokratischen Arbeiterpartei“ (SDAP) und der Produktionsort der „Arbeiter-Zeitung“. Für die Dreharbeiten wurde das „Vorwärtshaus“ visuell in die Zeit von 1918 zurückversetzt.

ORF/Produktion West/Gerhard Mader
Im Bild: Aufstand der Tabakarbeiterinnen in Schwaz in Tirol. Frabriksleiter Johann Nikolussi, Vorarbeiterin Ute Heidorn.

Frauen, die für ihre Rechte kämpfen

Für die wissenschaftliche Expertise zeichnete die Historikerin Isabella Ackerl verantwortlich. Als Expertinnen wurden Gertrude Langer-Ostrawsky, stellvertretende Archivleiterin des niederösterreichischen Landesarchivs, und die Kulturwissenschafterin Michaela Maier interviewt. Über die ganz persönlichen Schicksale der Frauen im Zweiten Weltkrieg sprachen Nora Brandl, Adelheid Praher (Nationalrätin a. D.) und Eva Binder.

Kristina Sprenger: „Adelheid Popp war eine Frau mit unglaublicher Stärke und Zielstrebigkeit. Trotz widrigster Umstände und unfassbarer Schicksalsschläge hat sie nie aufgehört, für die Rechte der Frauen zu kämpfen. Leider ist die Gleichstellung von Mann und Frau bis heute nicht in den Köpfen der Menschen angekommen, es liegt noch ein langer Weg vor uns. Der ungebrochene Mut und der eiserne Wille von Adelheid Popp können uns dabei wichtige Inspiration sein. Es war faszinierend und spannend, sie spielen zu dürfen.”

ORF/Produktion West/Gerhard Mader
Im Bild: Katharina Neumayer, dargestellt von Katarina Hauser, im Krankenbett nach ihrem Unfall.

Katharina Hauser: „Für mich ist Katharina Neumayer eine starke Frau, die mit einer unglaublichen Ruhe und Bescheidenheit den äußeren Widrigkeiten zum Trotz in einer schwierigen Zeit viel erreicht hat. Obwohl sie beide Beine verloren hat im wahrsten Sinne des Wortes weiterzugehen und sich jetzt erst recht für das Wohl der Mitmenschen einzusetzen. Das hat mich tief beeindruckt. Es war spannend, in ihre Rolle zu schlüpfen und zu versuchen, ihre Stärke, ihre Klugheit, ihren Lebensmut nachzuempfinden.“

Gestaltung

Anita Lackenberger