'100 Jahre Niederösterreich'

Universum History

Unser Österreich: Niederösterreich - Leben am Eisernen Vorhang

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In der Zeit des Kalten Krieges und besonders nach dem Prager Frühling 1968 war die Region um Gmünd lebensgefährlich – sie verkörperte das Ende der westlichen Welt. Auf der anderen Seite des Stacheldrahts, der Gmünd wie Berlin trennte, der Ostblock. Vier Generationen der Familie Fürnsinn haben den Riss in ihrer Heimatstadt vom Ersten Weltkrieg bis zum Vereinten Europa erlebt. Zum 100-jährigen Bestehen Niederösterreichs erzählt Anita Lackenberger deren außergewöhnliche Geschichte in ihrer Dokumentation „Niederösterreich – Leben am Eisernen Vorhang“ am Dienstag, dem 2. September, um 22.35 Uhr in ORF 2. Der mit Kristina Sprenger, Michael Walde-Berger und Harald Windisch prominent besetzte Film ist eine Produktion der Kreativlösung Filmproduktion GmbH für den ORF, gefördert von BMB, Land Niederösterreich und Zukunftsfonds der Republik Österreich.

ORF/Kreativlösung Filmproduktions GmbH/Udo Müller
Im Bild: Hans Fürnsinn Junior und Monika Fürnsinn, die Hauptprotagonisten der Dokumentation.

Die Familie Fürsinn im Portrait

Die Geschichte der Stadt Gmünd im Waldviertel spiegelt das politische Weltgeschehen des 20. Jahrhunderts wider. Die Konsequenzen des Zusammenbruchs der Monarchie sind in Gmünd nach Ende des Ersten Weltkriegs unübersehbar. Und schon während des Ersten Weltkriegs wird in der Stadt ein Flüchtlingslager errichtet, das sich später zu einem eigenen Stadtteil entwickelt – Baumeister von Lager und späterem Stadtteil: der Pionier der porträtierten Familie, Hans Fürnsinn.

ORF/Kreativlösung Filmproduktions GmbH/Udo Müller
Im Bild: Ein in der Gmünder Altstadt von Hans Fürnsinn senior errichtetes Gebäude.

Mit dem Frieden von Saint-Germain wurde 1919 eine prosperierende Wirtschaftsregion geteilt: Südböhmen und das nördliche Waldviertel. Die neue Grenze, die nach dem Ersten Weltkrieg entstand, teilte sogar die Stadt Gmünd – in einen tschechischen Teil, die Viertel Wielands und Böhmzeil, die zu Česke Velenicé wurden – und einen österreichischen Teil – Altstadt und Neustadt. Der strategisch und wirtschaftlich wichtige Bahnhof, einst auf der Hälfte der Strecke Wien-Prag gebaut, kommt zur Tschechoslowakei – ein herber Schlag für die Republik Österreich. Während der Ersten Republik wurde die Grenze nicht richtig ernst genommen und die alte Nachbarschaft bestand weiter. Baumeister Hans Fürnsinn heiratete eine Frau aus dem tschechischen Nové Hrady, dem vormaligen Gratzen. Solche Hochzeiten waren damals weit verbreitet, Grenzformalitäten nicht nötig.

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Im Bild: Tschechische Darsteller als tschechische Grenzsoldaten, die 1948 mit dem Bau eines Zaunes beginnen, der in weiterer Folge zum Eisernen Vorhang und damit zur fast unüberwindbaren Grenze wurde.

Die diplomatische Eiszeit zwischen Österreich und der Tschechoslowakei

Erst die NS-Rassenpolitik schuf eine Kluft zwischen Deutschen und Slawen. 1938 wurde es den Nationalsozialisten durch das international abgeschlossene Münchner Abkommen möglich, die deutschsprachigen Sudetengebiete zu besetzen und einzugliedern. Damit wurde zwar die verhasste Grenzziehung von St. Germain aufgehoben, aber nicht ohne Konsequenzen. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs folgte die Revanche der Tschechoslowakei mit den Beneš-Dekreten und der Vertreibung der Sudetendeutschen. Auch Verwandte der Familie Fürnsinn wurden vertrieben. Dann die nächste Zäsur: der Eiserne Vorhang, die nahezu unüberwindbare Systemgrenze zwischen Ost und West – sie verläuft nur wenige Meter von den Häusern Gmünds entfernt. Den Kalten Krieg erleben die Fürnsinns, die mittlerweile zwei Töchter haben, hautnah. Tote sind keine Seltenheit, besonders in der Periode, die auf den Prager Frühling 1968 folgt – eine diplomatische Eiszeit zwischen Österreich und der Tschechoslowakei. Die tschechischen Grenzposten schießen Flüchtenden sogar auf österreichisches Gebiet nach. Erst der Fall des Eisernen Vorhangs 1989, dann das Schengener Abkommen und der Beitritt der Tschechoslowakei zur EU sorgen für ein Ende der tödlichen Grenze. Für die Wiederbelebung der einstigen Wirtschaftsregion und eine langsame Normalisierung in den Beziehungen der Menschen.

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Im Bild: Das Brautpaar Fürnsinn (Kristina Sprenger und Michael Walde-Berger) bei der Hochzeit, 1930er Jahre. Motiv: Novy Hrady / Gratzen. Die Braut stammte aus dem heutigen Tschechien.

Originalfotos aus regionalen Archiven in Österreich und Tschechien, Interviews mit Zeitzeuginnen und Zeitzeugen sowie der Historikerin Elisabeth Vavra und dem Historiker Harald Winkler dokumentieren das historische Geschehen der Dokumentation.

Gestaltung

Anita Lackenberger