`Ikonen des Friedens´

Universum History

Mahatma Gandhi - Kampf ohne Gewalt

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Die Ikone Indiens

„Universum History“ beleuchtet in der neuen Dokumentation „Mahatma Gandhi – Kampf ohne Gewalt“ von Mathilde Damoisel und Mira Kamdar (ORF-Bearbeitung: Andrea Lehner) am Freitag, dem 12. August, um 22.35 Uhr in ORF 2 das Paradoxe des Gandhi-Mythos und das Leben und Wirken der Friedensikone so umfassend wie kein Fernsehporträt zuvor – von den Anfängen seines gesellschaftlichen Engagements als Jurist über seinen Wechsel in die Politik bis zu seiner prägenden Rolle im Kampf Indiens um die Unabhängigkeit. Archivaufnahmen von Gandhis Brief an Adolf Hitler und sein Treffen mit Mussolini zeigen, wie widersprüchlich und teilweise unberechenbar der populäre Volksheld mitunter agierte.

Er galt schon zu Lebzeiten als geistige und politische Ikone Indiens – Mahatma Gandhi. Mahatma ist die „Große Seele“, Gandhi, der „Vater der indischen Nation“. Er wurde seinem Namen mehr als gerecht. Seit seiner Ermordung 1948 wird Gandhi auch als Märtyrer verehrt. Weit über Indiens Grenzen hinaus verkörperte Gandhi Gewaltlosigkeit und die Hoffnung des indischen Volkes, sich ohne den Einsatz von Waffen aus der Kolonialherrschaft des britischen Empire befreien zu können.

Mahatma Gandhi, Delhi 1939.
ORF/Dinodia Photo/Jayan Mitra
Im Bild: Mahatma Gandhi, Delhi 1939.

Die Unabhängigkeit Indiens kam nicht ohne Gewalt

Tatsächlich wurde Indiens Streben nach Unabhängigkeit von Gewaltexzessen begleitet. Mehr als zehn Millionen Menschen mussten fliehen oder wurden zwangsumgesiedelt, mehr als eine Million Menschen kam dabei ums Leben. Am Ende wurde der indische Subkontinent zwischen Hindus und Moslems aufgeteilt – in die beiden unabhängigen Staaten Indien und Pakistan, zu dem bis 1971 auch Ostpakistan – das heutige Bangladesh – gehörte. Bis heute sind die Wunden und Traumata in vielen Bereichen der indischen und pakistanischen Bevölkerung nicht verheilt, bis heute streiten beide Länder – und das in den Konflikt hineingezogene China – um Kaschmir, das weder an Pakistan noch an Indien angeschlossen werden wollte. Auch Gandhi betrachtete die Teilung als sein großes persönliches Versagen.

Mit seiner unglaublich effizienten politischen Strategie versammelte Gandhi das Volk hinter sich und führte die Bewegung zu einer damals neuen Form des Massenprotestes. Jedes Mal stand er an vorderster Front, unzählige Male landete er im Gefängnis. Tausende Anhänger bekamen bei den von ihm organisierten Märschen und Demonstrationen die Brutalität der britischen Besatzer zu spüren. Doch die geballte Macht des Empire konnte weder ihn noch seine Gefolgsleute aufhalten.

Pandit Jawaharlal Nehru (li.), späterer Premierminister Indiens, und Mahatma Gandhi, Anführer der indischen Unabhängigkeitsbewegung.
ORF/Dinodia Photo/World History Archive/Ty Twt Dollsí House and Toy
Im Bild: Pandit Jawaharlal Nehru (li.), späterer Premierminister Indiens, und Mahatma Gandhi, Anführer der indischen Unabhängigkeitsbewegung.

Kastensystem: die kontroverse Haltung Gandhis

Gandhis Einsatz für die sogenannten Unberührbaren, die kastenlose, entrechtete Bevölkerung Indiens, täuscht darüber hinweg, dass er – Anwalt aus der indischen Oberschicht – das Kastensystem an sich nie in Frage stellte. Die mehr als 500 Maharadschas, Sultane und anderen mächtigen Herrscher durften selbst entscheiden, welchem Staat sie sich anschließen wollten, die ehemaligen Kastenlosen wurden zu Parias – und sind es heute noch. Unzählige Friedensaktivisten sind in Gandhis Fußstapfen getreten. Als Orientierung diente vor allem sein Prinzip der strikten Gewaltlosigkeit. Kaum jemand interessierte sich für die weniger bekannten Seiten seiner Persönlichkeit, die verschiedenen Einflüsse auf sein Handeln, die Beziehung zu seiner Ehefrau oder seine kontroverse Haltung zum Thema Rassismus. Dass der glühende Verfechter einer pazifistischen Lebenseinstellung den faschistischen Diktator Mussolini besuchte, wurde und wird ebenso ausgeblendet wie die Tatsache, dass zahlreiche der von ihm organisierten friedlichen Massenproteste gegen die britische Besatzungsmacht von unglaublichen Gewaltausbrüchen begleitet waren.

ORF/Dinodia Photo/Jayan Mitra
Im Bild: Mahatma Gandhi auf seinem Friedensmarsch in Noakhali, Bangladesch 1946.

Die Symbole der Selbstbestimmung

Von Beginn an setzte Gandhi auf die Macht von Symbolen – schrittweise verwandelte sich der Anwalt in die in weiße Tücher gehüllte Gestalt, als die er weltbekannt wurde. Enthaltsamkeit und Askese beherrschten jahrzehntelang sein Leben. Bereits sein erstes großes politisches Engagement geriet zu einem Massenevent. 1922 forderte er den Boykott britischer Produkte, die nach Indien eingeführt wurden, und ermutigte seine Landsleute, nur noch Khadi, Kleidung aus selbstgesponnener indischer Baumwolle, zu tragen. Das hölzerne Spinnrad, mit dem er durch abgelegene Dörfer tourte, wurde zu einem Symbol der Selbstbestimmung und ziert heute die indische Flagge. Der damit hergestellte weiße Stoff wurde zur Uniform der Unabhängigkeitsbewegung.

Am Ende verselbstständigte sich die Legende von Mahatma, der „Großen Seele“, unabhängig von Gandhi und seiner Geschichte. Seine Zweideutigkeit in Bezug auf das indische Kastensystem und sein Fernhalten von politischen Bündnissen und Institutionen kosteten ihn schließlich das Leben. Am 30. Jänner 1948 wurde er, der mit vollem Namen Mohandas Karamchand Gandhi hieß, im Alter von 78 Jahren von einem ehemaligen Anhänger ermordet.

Bearbeitung

Andrea Lehner