Universum History
Die Jahrhundertspionin - Agentin im Dienste Stalins
1941 kommt eine Frau als jüdischer Flüchtling in Oxford an. Sie hat kein Geld, keine Unterkunft und scheinbar keine Verbindungen vor Ort. Aber sie hat ein Geheimnis – sie ist eine sowjetische Spionin, die unter dem Decknamen „Sonja“ operiert. Ruth Werner alias Ursula Kuczynski gilt als erfolgreichste Kundschafterin der Sowjetunion im Zweiten Weltkrieg. Sie steht im Dienste der Militäraufklärung der Roten Armee, informiert sogar Stalin rechtzeitig über den geplanten Überfall der deutschen Wehrmacht. Und: Sie stiehlt Großbritanniens Atomgeheimnisse und gibt sie den Sowjets. Mit „Die Jahrhundertspionin – Agentin im Dienste Stalins“ zeigt „Universum History“ am Freitag, dem 26. April, um 22.35 Uhr in ORF 2 eine spannende Dokumentation von Hannah Veale (Regie Spielszenen: Bill Thomas) über eine kontrastreiche Agentin, deren Leben alles andere als geradlinig verlief.
Kommunistische Wurzeln
1919 formiert sich die Kommunistische Partei Deutschlands. Die Mitglieder träumen von einer gerechten, sozialistischen Gesellschaft und fordern eine Rückbesinnung auf die „wahren“ marxistischen Traditionen. Die Katastrophe des Ersten Weltkriegs gibt ihren revolutionären Plänen eine besondere Dringlichkeit. Ursula Kuczynski wächst in dieser Zeit mit ihren Eltern und Geschwistern in einer Villa am Schlachtensee in Berlin auf. Die jüdischstämmige Familie sympathisiert von Beginn an mit dem Antifaschismus der kommunistischen Ideologie. Bereits als Teenagerin tritt Ursula dem „Kommunistischen Jugendverband Deutschlands“ bei, wo sie auch ihren ersten Ehemann, einen deutschen Architekten, kennenlernt. Kurz darauf folgt sie ihrem Mann nach Schanghai, das gerade einen Bauboom erlebt. Das Leben als Ehefrau und frischgebackene Mutter erfüllt sie jedoch nicht. Als sie in Schanghai dann den Spion Richard Sorge kennen lernt, sind die Weichen für ihre Zukunft gestellt: Sorge wird ihr Lehrmeister, die junge Ursula Kuczynski geht nach Moskau, wo sie als Funkerin ausgebildet wird. Das Leben in Deutschland ist für sie als Jüdin außerdem zunehmend schwierig.
„Sonja“ ist der Verbindungsdraht nach Moskau
Ursula operiert nun unter dem Decknamen „Sonja“ auf der ganzen Welt. Von Asien und Europa aus liefert sie Informationen nach Moskau. Bei der Invasion der Japaner in China funkt sie aus der Mandschurei; bei der Besetzung Danzigs baut sie vor Ort Widerstandsgruppen auf. Und als die deutsche Wehrmacht Polen überfällt, versteckt Ursula ihren Funksender in der Schweiz. Dort erhält sie auch Verbindung zur legendären „Roten Kapelle“, jenem Agentennetz, das die Rote Armee regelmäßig mit Informationen über die Wehrmacht versorgt.
1940 schickt die Rote Armee „Sonja“ mit ihrem mittlerweile zweiten Ehemann Leon Beurton – dem englischen Kommunisten und Agenten des sowjetischen Nachrichtendienstes GRU – nach London. Stalin verlangt nach militärischen Informationen aus dem Empire – und bekommt sie. Ursulas Nachrichten vom bevorstehenden Überfall der Wehrmacht auf die Sowjetunion ignoriert der Diktator jedoch. Ursula ist eine der wenigen, die Stalins gewaltsame Säuberungen überleben.
Von der Agentin zur Kinderbuchautorin
Nach dem Krieg flüchtet Ursula nach Ost-Berlin. Zwar beendet sie ihre Zusammenarbeit mit dem Geheimdienst der Roten Armee, den Glauben an einen menschlichen Sozialismus gibt sie hingegen ein Leben lang nicht auf. Als Ruth Werner verfasst sie fortan Kinderbücher. Erst bei ihrem Begräbnis wird ihr Rang offenbart: Oberst der Roten Armee.
„Universum History“ erzählt in einer überaus spannenden Doku die Geschichte der sowjetischen Spionin Ursula Kuczynski alias „Sonja“. Wie sie die Atomgeheimnisse der Engländer an die Russen weitergibt, vor den Augen des britischen Geheimdienstes MI5 operiert, der Gefangennahme entgeht und es sogar schafft, Stalins großer Säuberung zu entkommen. Ein Blick hinter die „geheimen Fronten“ der Großmächte des 20. Jahrhunderts und in die Schattenwelt der Spionage.
Regie
Hannah Veale
Bearbeitung
Andreas Maurer