Menschen & Mächte

Der Patronenkönig - Das unheimliche Leben des Fritz Mandl

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Wenige Menschen haben ein derart filmreifes Leben geführt wie Fritz Mandl aus Österreich. Der Direktor der Hirtenberger Munitionsfabrik geht – gleichsam als europäischer „Patronenkönig“ der 1930er Jahre – für die Geschäfte seines Konzerns über Leichen. Als Ehemann der späteren Hollywood-Diva Hedy Lamarr kommt er aber an seine Grenzen.

„Menschen & Mächte“ bringt mit Georg Ransmayrs Film „Der Patronenkönig – Das unheimliche Leben des Fritz Mandl“ die erste TV-Doku über den skrupellos-charmanten Tycoon, vor dem Lamarr flüchten musste, um ein Weltstar werden zu können.

Wien 1935: Fritz Mandl ist damals ein Mann, der „in jeder Hauptstadt der Welt bekannt und gefürchtet“ war. So steht es in der Autobiografie der berühmten Hollywood-Schauspielerin Hedy Lamarr. Sie war Mandls zweite Ehefrau und hat die dunkle Aura ihres Ex-Gatten nach der Scheidung kräftig aufgebauscht.

"Der Patronenkönig – Das unheimliche Leben des Fritz Mandl": Hedy Lamarr in Hollywood (1938), Szene aus dem Film ‚Algiers‘ von Walter Wanger Productions
ORF/APA/Picturedesk/Ullstein Bild
Hedy Lamarr in Hollywood (1938), Szene aus dem Film ‚Algiers‘ von Walter Wanger Productions

Im Kern lag die Filmdiva aber richtig. Der europäische „Patronenkönig“ der 1930er Jahre kannte bei den Geschäften des Munitionskonzerns Hirtenberger keine Skrupel. Fritz Mandl bewundert den italienischen Diktator Mussolini und unterstützt den österreichischen Heimwehr-Faschismus, der 1933 in die Dollfuß-Diktatur führt. Mitunter verblüfft Mandl jedoch Freund und Feind. Indem er 1936 im Spanischen Bürgerkrieg die republikanischen Gegner der Franco-Faschisten beliefert. Mandl war – wie Historiker belegen – ein gerissener Opportunist und Grenzgänger, der im Dunstkreis von Polit-Abenteurern und der High Society viele in seinen Bann ziehen konnte.

Hedy Kiesler-Mandl wird ihrem Mann aber die größte Schmach seines Lebens zufügen. Fritz Mandl hatte ihr nach ihrer Rolle im Erotikfilm „Ekstase“, der damals wegen seiner Nacktszenen für einen Skandal sorgte, die Schauspielerei verboten. Deswegen brennt Kiesler nach Hollywood durch, wo sie unter dem Künstlernamen Hedy Lamarr zur „Marilyn Monroe der Weltkriegsjahre“ wird.

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"Der Patronenkönig – Das unheimliche Leben des Fritz Mandl": Reenactment Fritz Mandl (Peter Pertusini)
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Reenactment Fritz Mandl (Peter Pertusini)
"Der Patronenkönig – Das unheimliche Leben des Fritz Mandl": Zeitungsausschnitt Hedy und Fritz Mandl
ORF/Filmarchiv Austria
Zeitungsausschnitt Hedy und Fritz Mandl
"Der Patronenkönig – Das unheimliche Leben des Fritz Mandl": Reenactment Fritz (Peter Pertusini) und Hedy Mandl (Sophia Grabner) im Auto
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Reenactment Fritz (Peter Pertusini) und Hedy Mandl (Sophia Grabner) im Auto
"Der Patronenkönig – Das unheimliche Leben des Fritz Mandl": Reenactment Fritz Mandl (Peter Pertusini) beim Zigarre rauchen
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Reenactment Fritz Mandl (Peter Pertusini) beim Zigarre-Rauchen
"Der Patronenkönig – Das unheimliche Leben des Fritz Mandl": Reenactment Fritz (Peter Pertusini) und Hedy Mandl (Sophia Grabner)
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Reenactment Fritz (Peter Pertusini) und Hedy Mandl (Sophia Grabner)
"Der Patronenkönig – Das unheimliche Leben des Fritz Mandl": Fritz Mandl in Buenos Aires (1940)
ORF/Privat
Fritz Mandl in Buenos Aires (1940)
"Der Patronenkönig – Das unheimliche Leben des Fritz Mandl": Sophia Grabner (Hedy Mandl) mit Visagistin Petra Laskaris
ORF
Sophia Grabner (Hedy Mandl) mit Visagistin Petra Laskaris
"Der Patronenkönig – Das unheimliche Leben des Fritz Mandl": Georg Ransmayr (Regie), Peter Krieg (Schnitt)
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Georg Ransmayr (Regie), Peter Krieg (Schnitt)
"Der Patronenkönig – Das unheimliche Leben des Fritz Mandl": Dreharbeiten in Buenos Aires mit Mateo Casal (Ton), Gaby Casal (Kamera), Georg Ransmayr (Regie)
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Dreharbeiten in Buenos Aires mit Mateo Casal (Ton), Gaby Casal (Kamera), Georg Ransmayr (Regie)
"Der Patronenkönig – Das unheimliche Leben des Fritz Mandl": Georg Ransmayr (Regie), Peter Pertusini (Fritz Mandl), Max Meißl (Kamera), Thomas Mayr-Harting (Chauffeur)
ORF
Georg Ransmayr (Regie), Peter Pertusini (Fritz Mandl), Max Meißl (Kamera), Thomas Mayr-Harting (Chauffeur)

1938 muss Mandl wegen seiner jüdischen Wurzeln und seiner Rolle als Heimwehr-Geldgeber vor den Nationalsozialisten fliehen. Mandl ist abgebrüht genug, um den Nazis bei der „Arisierung“ seines Konzerns eine bescheidene Entschädigung abzutrotzen. Was außer ihm bei Enteignungen durch das NS-Regime praktisch niemand geschafft hat. In Südamerika baut Mandl ein neues Firmenimperium auf. Doch er landet nach einer Geheimdienstverschwörung zu Unrecht als NS-Spion im Gefängnis. Trotzdem muss der Austro-Argentinier hart kämpfen, bis er sein von den Nazis geraubtes Vermögen 1957 zurückerhält. Von neuen schönen Frauen umgeben kommt der Jetset-Manager mit dem Hirtenberger-Konzern wieder ins Geschäft – bis dubiose Munitionsexporte mit der österreichischen Neutralität kollidieren.

"Der Patronenkönig – Das unheimliche Leben des Fritz Mandl": Fritz Mandl mit (seiner 3. Ehefrau) Hertha Mandl
ORF/Privat
Fritz Mandl mit (seiner 3. Ehefrau) Hertha Mandl

„Der Patronenkönig – Das unheimliche Leben des Fritz Mandl“ ist ein Film über einen Grenzgänger, der ein einzigartig schillerndes Leben geführt hat. Mit exklusiven Interviews und Familienfotos, einer bislang unveröffentlichten Tonband-Aufnahme von Fritz Mandl sowie historischen Spielszenen wird die Laufbahn des Munitionsfabrikanten nachgezeichnet. Gedreht wurde die mit Mitteln der Verwertungsgesellschaft Rundfunk (VGR) geförderte ORF-Dokumentation in Österreich und Argentinien. Bis heute ist Buenos Aires der Wohnort von Fritz Mandls ältester Tochter Maria „Puppe“ Mandl. Sie und andere schildern eindrucksvoll und ungeschminkt, dass Mandl zwei Gesichter hatte. Der Familienpatriarch mit insgesamt fünf Ehefrauen konnte liebenswürdig sein und Menschen in seinen Bann ziehen. Er konnte aber auch herrisch agieren und seine Absichten eiskalt umsetzen.

Die Lebenswege von Fritz Mandl und Hedy Lamarr blieben jahrzehntelang auf seltsame Weise verkettet. Mandl sah in Lamarr wohl ewig die Traumfrau, die ihm aber seine Grenzen aufgezeigt hatte. Sie stellte ihn als faschistischen Finsterling hin, von dem sie sich emanzipieren musste, um ein Weltstar werden zu können. Dennoch: Mandl war, wie die Historikerin Ursula Prutsch schreibt, weit mehr als die unheimliche Nebenfigur im Vorleben der Filmdiva. Die erste TV-Doku über Fritz Mandl erzählt von einem Überlebenskünstler, der sich wie kein anderer durch stürmische Zeiten geturnt hat.

Und heute – 100 Jahre nachdem Fritz Mandl im Alter von 24 Jahren der Generaldirektor der Hirtenberger Patronenfabrik wurde? Der einstige Paradekonzern ist schon lange Geschichte. 1981 hat Mandls Witwe das Unternehmen an die damalige Voestalpine verkauft, die mit der neuen Tochterfirma in den Noricum-Skandal schlitterte. Erhalten geblieben ist hingegen Mandls Jagdvilla „Fegenberg“ in Schwarzau im Gebirge in Niederösterreich. Sie befindet sich jedoch nicht mehr im Besitz der Familie Mandl und war Schauplatz für diverse Spielszenen der „Menschen & Mächte“-Produktion.