Clemens J. Setz mit seinem Buch
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Der Beste im November 2025: Clemens J. Setz

Intime Annäherung an einen Schwierigen

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In „Das Buch zum Film“ erzählt der Steirer von seiner Jugend, seinen surrealen Träumen und wie er zum Schriftsteller wurde

Clemens J. Setz, ein Autor mit extravagantem künstlerischen Profil, hat persönliche Aufzeichnungen aus den Jahren 2000 bis 2010 veröffentlicht. In einem dieser Einträge erzählt er, wie befremdet er war, als er im Schrank seiner Mutter das MRT-Bild seines sechzehnjährigen Schädels aus dem Jahr 1998 gefunden hat. „Ich sehe aus wie eine Glühbirne. In so was soll ein ganzer Roman Platz haben?“

Buchcover mit Foto von Clemens Setz
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Das MRT-Bild liefert natürlich keine Erklärungen zum literarischen Universum des Clemens J. Setz. Wer aber seine eigenwilligen Bücher gelesen hat, mag sich bisweilen auch die Frage gestellt haben, wie ein Kopf beschaffen ist, der solch seltsame Fiktionen hervorbringt. „Das Buch zum Film“ gibt darauf keine ultimative Antwort, aber etwas näher rückt es uns schon an den Autor von Romanen wie „Die Frequenzen“ oder „Die Stunde zwischen Frau und Gitarre“ heran. Für passionierte Setz-Leser ist es zweifellos Pflichtlektüre.

Buchcover "Das Buch zum Film"
Jung und Jung

Buchinfo:
Clemens J. Setz: „Das Buch zum Film“
Erscheinungsjahr: 2025
192 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag
Jung und Jung

Überforderung im Zivildienst

Die ersten Aufzeichnungen aus dem Jahr 2000 beinhalten Erlebnisse und Erfahrungen aus dem Zivildienstjahr. Setz arbeitete im Grazer Odilien-Institut bei beeinträchtigten Kindern. Das Bild, das seine Einträge ergeben, erinnert an Gemälde von Hieronymus Bosch, Setz macht auch kein Geheimnis aus seiner Überforderung. Die Grenze zwischen Einrichtungen wie dem Odilien-Institut und der sogenannten „Normalität“ des freien Lebens ist allerdings fließend.

Ohne Beschönigung erzählt Clemens J. Setz von der menschlichen Misere seines Elternhauses, vom unberechenbaren Vater, der tagelang verschwindet, und einer ramponierten Ehe. Ziemlich schwierig verläuft auch die Liebesbeziehung des jungen Autors mit einer Frau, die unter schweren Angststörungen leidet und ihren Partner kräftig mitleiden lässt. Er verwendet dafür das Wort „Hölle“.

Auch um seine Träume beneidet man Clemens J. Setz nicht. „Im Traum sah ich eine Frau, die sich in einem Kinosaal während der Filmvorstellung leise mit dem Beutel ihres künstlichen Darmausgangs unterhielt.“ Die Ideen zu surrealen Geschichten, die Setz immer wieder notierte, haben gewisse Ähnlichkeiten mit seinen Traumnarrativen. Die ständige Verschriftlichung des Erlebten, Erlittenen, Gelesenen, Gedachten, Geträumten scheint bei Clemens J. Setz die Lebensform zu sein. Ohne Schreiben ist dieser Mann kaum vorstellbar.

Buchcover von Clemens Setz
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2007 - auch davon erzählt Setz im Buch - erschien sein erster Roman „Söhne und Planeten“, ein Jahr später wurde der 25-jährige Autor schon zum Bachmann-Wettbewerb eingeladen, ein weiteres Jahr später stand der zweite Roman „Die Frequenzen“ auf der Liste des Deutschen Buchpreises. Von nun an ging's bergauf. Anmerkungen zu Literaturbetrieb und Kulturöffentlichkeit treten ab 2008 in den Vordergrund - und man ist ehrlich erleichtert, denn am Ende bleibt der begründete Eindruck, dass diese Künstlerjugend hart an der seelischen Absturzgrenze verlaufen ist.

Text: Christian Schacherreiter, „Oberösterreichische Nachrichten

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