Ein Kassenschlager reloaded
Mit seiner One-Man-Show „Jedermann Reloaded“ hat er in Personalunion 2013 insgesamt 20 Rollen übernommen und gemeinsam mit seiner Band „Die Elektrohand Gottes“ das mehr als 100 Jahre alte Mysterienspiel in ein rockig-apokalyptisches Sprech-Konzert-Spektakel verwandelt. Fünf Jahre später übernahm Philipp Hochmair auf dem Domplatz die Hauptrolle vom erkrankten Tobias Moretti, zum ersten Mal in der Geschichte der Salzburger Festspiele nach 1945 musste ein „Jedermann“ einspringen. Innerhalb von 30 Stunden, ohne die Inszenierung zu kennen und ohne dafür auch nur ein Wort zu lernen, landete er damit einen fulminanten Erfolg bei Publikum wie Kritik.
Notnagel sein war gestern. Denn in diesem Jahr gibt der 50-jährige Wiener den neuen „Jedermann“. Für das mittelalterliche „Morality Play“, das Hugo von Hofmannsthal weitergedichtet hat, war es für die Leitung der Salzburger Festspiele an der Zeit, das Stück neu zu denken.
Auserkoren für diese Aufgabe wurde der kanadische Regisseur Robert Carsen, der sich sowohl auf internationalen Bühnen als auch in der Mozartstadt als Opernregisseur einen Namen gemacht hat. Doch der Stoff ist dem 70-Jährigen vertraut, hat er ihn doch im Zuge seiner Schauspielausbildung intensiv studiert. Zu lange sei der Salzburger „Jedermann“ in einer halb folkloristischen Anmutung über die Bühne gegangen, sagt Intendant Markus Hinterhäuser und freut sich auf die Neuinszenierung auf dem Domplatz.
Carsen sieht die Figur als geldbesessen, gierig und gefühlskalt. Er will mit seiner Interpretation eine messerscharfe Analyse der materialistischen Gesellschaft samt dem damit einhergehenden Verfall geistiger Werte liefern. Für ihn ist der „Jedermann“ ein Neureicher, der plötzlich scheitert, eine Art René Benko oder einer wie Samuel Bankman-Fried, ein US-amerikanischer Unternehmer und verurteilter Betrüger, dessen Kryptowährungsbörse bankrottgegangen ist.
Die „unübertroffene Gier“ in Hofmannsthals „Spiel vom Sterben des reichen Manns“ mündet in den Tod. Für Robert Carsen soll die Auseinandersetzung mit dem Unausweichlichen zu einem Nachdenken darüber führen, wie wir unser Leben leben sollten.
Neben einem komplett neu besetzten Ensemble, allen voran die Schweizer Schauspielerin Deleila Piasko als „Buhlschaft“, Andrea Jonasson als „Jedermanns Mutter“ und Christoph Luser als „Teufel und guter Gesell“ spielt auch der Dom in Carsens Inszenierung eine besondere Rolle. Im Gegensatz zu früheren Inszenierungen werden keine Bauten die Domfassade verstecken.
Das Bauwerk selbst wird zur Bühne, eine niveaugleiche Piazza, auf der bis zu 90 Personen Platz finden ist der mondäne Ort für „Jedermanns“ Tischgesellschaft. Der Dom ist Kirche und Jedermanns Haus zugleich. Die mit Spannung erwartetete Neuinszenierung überträgt der ORF am 27. Juli. Zuvor bietet der kulturMontag erste Einblicke in die Neuinszenierung und umfassende Interviews.
TV-Beitrag: Susanna Schwarzer