Fieberhafter Freiheitsdrang
„Sissi“ – „Franzl“! Wer kennt es nicht, das romantische „Traumpaar“ Franz Joseph und Elisabeth, die Stars des Habsburger-Clans in der kitschtriefenden Trilogie von Ernst Marischka, mit Romy Schneider als blutjunger Lisl von Possenhofen und Karlheinz Böhm als schneidigem Kaiser Franz Joseph. Seit den fünfziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts hat das Bild des österreichisch-ungarischen Kaiserpaares Generationen geprägt und Stoff für unzählige Verfilmungen geliefert.
Während Franz Joseph ein autoritärer Monarch und trockener Pragmatiker war, der liberalen Ideen mit völligem Unverständnis begegnete galt seine Frau als höchst unkonventionell. Die Kaiserin rauchte, hungerte bis zur Magersucht, trieb exzessiv Sport, ließ sich gar tätowieren und flüchtete sich immer wieder auf lange Reisen. Elisabeth von Österreich verachtete die Etikette am Hofe der Habsburger und unterstützte Ungarns Nationalisten in ihrem Kampf um Unabhängigkeit.
Sisi war zwar schön, reich, gebildet und hatte eine magische Wirkung auf Männer, doch ihr Leben verlief nicht wie im Märchen. Elisabeth wurde zu einem Sinnbild der ausklingenden Habsburgermonarchie. Um ihre Person entstand im 20. Jahrhundert ein regelrechter Kult, der bis heute andauert.
Die österreichische Drehbuchautorin und Regisseurin Marie Kreutzer wirft in ihrem preisgekrönten Film „Corsage“ einen neuen Blick fern von picksüßen Klischees auf das Leben der Kaiserin. Darin erzählt sie die teils fiktive Geschichte einer alternden, unkonventionellen Monarchin, die ihre Freiheit sucht und schlussendlich daran scheitert.
Vicky Krieps spielt die 40-jährige, wissbegierige und lebenshungrige Frau, die nicht länger in einem höfischen Korsett leben und sich trotz des strengen Hofzeremoniells ihre Freiheit erkämpfen will. Ihre Schönheit ist am Verblassen, Kaiser Franz Joseph nimmt ihre politischen Ansichten nicht ernst, kanzelt ihre philosophischen Ansichten als reine „Wolkenkraxlerein“ ab.
Ihr Leben allein auf Repräsentationspflichten reduziert füllt sie nicht aus. Trotz ihres selbstauferlegten Diktats, jung, schön und schlank zu bleiben wird die Angst vor dem Älterwerden, vor dem Bedeutungsverlust immer größer. Ihr Selbstbild zerbricht. Anhand von Fakten, Anekdoten und Gerüchten entwirft Marie Kreutzer in dem vom ORF co-finanzierten Film das Bild einer komplexen und widersprüchlichen Monarchin.
TV-Beitrag: Tiziana Aricò