Wiener Zeitgeist – Aufbruch in die 80er
Wien, Mitte der 1970er-Jahre: Eine Stadt in depressiven Grautönen. Die Bevölkerung ist stark überaltert und schrumpft beständig. Und dann, am Ende des Jahrzehnts, flackern mit einem Mal in bunten Neonfarben die Lichter in einer Unzahl gestylter In-Lokale an. Wien wird modisch, eine so genannte Szene entsteht. Hedonistisch und konsumorientiert: Ein neuer Zeitgeist liegt in der Luft. Und die Zeitschrift „Wiener“ – vor über 45 Jahren gegründet – wird zu dessen Zentralorgan. Alexandra Venier hat für ihren Film tief in den ORF-Archiven gegraben und eine prominente Riege zeitgeistiger Zeitgenossen interviewt.

Divine, die prallste aller Drag Queens tritt auf und auch die noch völlig unbekannte Sade Adu – später wollen alle bei ihrem Konzert dabei gewesen sein: Mit dem U4 bekommt Wien 1980 einen Szenetempel. Vor der Tür steht Conny de Beauclair, hinter dem Tresen führt Marianne Kohn ein strenges Regiment: „Ich habe einen Preis als grantigste Barfrau Wiens bekommen“, erklärt sie nicht ohne Stolz. „Und das beste Trinkgeld“.

Musikalisch geht in jenen Jahren alles so schnell: Minisex fahren mit dem Auto, Blümchen Blau plärren einen Klassiker von Hans Albers, Falco spielt Bass und probiert so lange neue Frisuren aus, bis die Brillantin' brutal glänzt und ihm ganz Wien zu Füßen liegt. Was war geschehen, dass sich die Stadt aus ihrer eigenen Provinzialität hievte und in der City die lodenbemäntelten Regimenter von jungen Partypeople verdrängt wurden? War es so etwas Profanes wie der U-Bahn-Bau, der wie ein Turbo wirkte?

Bestimmt hat auch die Zeitschrift „Wiener“ am neuen Selbstwertgefühl mitgewirkt. Abgekupfert von Andy Warhols Magazin „Interview“ werden die ersten Nummern im größenwahnsinnigen X-Large-Format verlegt.

Nach vier Ausgaben geht das Projekt pleite und wird alsbald als „Zeitschrift für Zeitgeist“ neu gegründet.

Alexandra Veniers Film ist ein Brevier durch die Mode-, Party- und Musikszene jener Jahre, als sich Wien als Metropole neu erfand.
Zu Wort kommen unter anderen Starfotografin Elfie Semotan, Architekt Wolf D. Prix, die Gastronomen Marianne Kohn, Hanno Pöschl und Ossi Schellmann, die Musiker Rudi Nemeczek, Alexander Goebel und Götz Schrage, sowie der ehemalige „Wiener“-Chefredakteur Markus Peichl.

Regie
Alexandra Venier