'Unser Österreich - Die Universum Sommerreihe'

Universum

Zurück zum Urwald - Nationalpark Kalkalpen

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Tief in einem felsigen Flusslabyrinth verborgen, umgeben von schroffem Karstgebirge, liegt eine Waldlandschaft wie aus Grimms Märchen, unheimlich und finster: das Hintergebirge, die Bergwälder zwischen den Flüssen Enns und Steyr, das größte geschlossene Waldgebiet Österreichs.

Der Wald ist viel mehr als bisher gedacht – das zeigt die „Universum“-Dokumentation „Zurück zum Urwald – Nationalpark Kalkalpen“ der preisgekrönten Filmemacher Rita und Michael Schlamberger. Sie porträtieren das größte Verwilderungsgebiet der Alpen, das sich in den vergangenen 20 Jahren zu einem wildromantischen Urwald entwickelt hat. In diesem riesigen, unberührten Gebiet, in dem der Mensch die Natur Natur sein lässt, kommunizieren Bäume untereinander, streifen Luchse majestätisch anmutend am Waldboden und springen Gelbhalsmäuse zehn Mal so weit wie sie lang sind.

Freiheit für den Wald

Dabei hatten die Kalkalpen vor nicht allzu langer Zeit ein gänzlich anderes Erscheinungsbild. Erst im Jahr 1997 wurden das Sengsengebirge und das Reichraminger Hintergebirge als Nationalpark Kalkalpen unter strengen Schutz gestellt. Gleichzeitig mit einer mutigen Entscheidung: Fortan sollte das Bewirtschaften des Waldes den natürlichen dynamischen Prozessen überlassen sein. Nicht wenige Experten warnten damals vor diesem Schritt und befürchteten eine Verwesung des Waldes.

Ein umgetürzter Baum im herbstlichen Wald. Er ist mit Moos und Baumschwämmen bewachsen.
ORF/ScienceVision/Rita Schlamberger
Totholz? Im Urwald gilt: Das Leben beginnt, wenn ein Baum stirbt. Und daran sind Pilze maßgeblich beteiligt.

Heute, fast 20 Jahre später, ist klar, dass alle Zweifel unberechtigt waren. Das deutlichste Symbol dafür ist die Wiederkehr der Luchse. Nachdem ein Vorbote für die zukünftige Erfolgsgeschichte schon 1998 in den Nationalpark gekommen war, wurden Luchse aus der Schweiz im Jahr 2011 wiederangesiedelt. Nur ein Jahr später gab es den ersten Nachwuchs. Der einzige Feind, den die erste Luchspopulation in den Alpen seit ihrer Ausrottung vor 115 Jahren noch hat, ist der Mensch. Denn er sieht den Luchs nicht selten als Trophäe.

Ein Luchs liegt auf einem moosbewachsenen Baumstamm und blickt direkt in die Kamera.
ORF/ScienceVision/Rita Schlamberger
Hochleistungsohren wie ein Luchs: Die Raubkatzen können feinste Geräusche noch auf 50 Meter wahrnehmen

Das mächtigste Symbol der Kalkalpen ist aber letztlich der Baum. Seit über 350 Millionen Jahre haben sich Bäume zu perfekt angepassten Lebewesen entwickelt, zu pflanzlichen Genies, die in einem hochkomplexen Verbund den Organismus Wald bilden.

Bäume sind Teil der wohl größten Gemeinschaftsarbeit in der Geschichte des Lebens: zusammen mit Pilzen. Myriaden von Pilzen zersetzen und verarbeiten das Totholz. Verborgen im Untergrund führen sie ein finsteres Dasein. Und sie bahnen sich ihren Weg an die Oberfläche. Dort spannen sie energisch ihre Schirme auf. Das, was wir dann landläufig als Pilz bezeichnen, dient bloß der Vermehrung. Im Herbst, wenn die Pilze an die Oberfläche drängen, verraten sie indirekt, wo sie im Untergrund wachsen und sich ausbreiten. Die weitläufigen Myzelstränge der Pilze durchziehen ungeheuer große Flächen. Sie bilden ein riesiges unterirdisches Netzwerk, breiten sich in abgestorbenen Bäumen und dem Boden aus. Und wie in den USA bereits nachgewiesen, erreichen sie ein Gewicht von mehr als 600 Tonnen.

Die verborgene Sprache der Bäume

Bäume kommunizieren auch untereinander. So warnen Fichten benachbarte Fichten vor etwaigen Borkenkäferangriffen. In diesem Fall geben die befallenen Bäume Duftstoffe ab. Die alarmierten Fichten in der unmittelbaren Umgebung werfen wiederum ihre „interne Chemiefabrik“ an. In weiterer Folge entziehen sie dem Boden unterschiedliche Stoffe, die sie für einen zu erwartenden Angriff der Borkenkäfer wappnen. „Bäume kommunizieren mit speziellen Codes“, sagt Filmemacherin Rita Schlammberger. „Ihre Wörter sind Duftstoffe und Schwingungen“.

Der Urwald in den Kalkalpen ist aber nicht nur monströs und gewaltig – er ist auch klein und auf den ersten Blick unscheinbar. Erst beim genaueren Hinsehen offenbart sich der ganze Zauber. So fasziniert die Gelbhalsmaus mit ihrer atemberaubenden Sprung- und Klettertechnik. Diese Waldmaus klettert die Bäume ohne Probleme senkrecht nach oben – und springt zehn Mal so weit wie sie lang ist.

Eine kleine braune Maus mit heller Unterseite und schwarzen Knopfaugen am Waldboden. Sie sitzt inmitten von herbstlich gefärbtem Laub auf einem Stück Totholz.
ORF/ScienceVision/Rita Schlamberger
Wer für andere eine begehrte Beute darstellt, muss gute Überlebensstrategien haben: Die Gelbhalsmaus springt und klettert wie eine Weltmeisterin.

Nicht weniger Staunen rufen die besonderen Fähigkeiten der Schlupfwespe hervor. Punktgenau, mit der Präzession eines Hightech-Bohrers, befördert sie ihr Ei unter die Rinde des Baumes. Dort wird das Ei direkt auf die Larve der Riesenholzwespe abgelegt, die kurz davor mit einem Gift paralysiert wurde. Nun kann sich das Ei der Schlupfwespe genüsslich an der unbeweglichen Larve der Riesenholzwespe nähren.

Das Leben unter der Rinde wird mit Hilfe von Computeranimationen dargestellt, auch Zeitraffer-, Zeitlupen- und Highspeed-Aufnahmen sorgen dafür, dass der Urwald im Nationalpark Kalkalpen mit all seinen Bestandteilen ins Bild gerückt werden kann. „Oft haben wir erst in der Analyse der Bilder alle Details sehen können, die dieser Wald zu bieten hat“, sagt Filmemacher Michael Schlamberger. „So konnten wir festhalten, wie geschickt und zielgerichtet zum Beispiel der Weißrückenspecht an die tief im Stamm lebenden Larven gelangt.“

24 Stunden vorab auf ORF ON verfügbar

Für „Zurück zum Urwald – Nationalpark Kalkalpen“ haben Rita und Michael Schlamberger über einen Zeitraum von mehr als drei Jahren das Geheimnis des unberührten Urwalds in den Kalkalpen mit der neuesten Kameratechnik eingefangen. Der Film entstand als Koproduktion zwischen ScienceVision und dem Nationalpark Kalkalpen in Zusammenarbeit mit dem ORF, den Österreichischen Bundesforsten, mit Unterstützung des Ministeriums für ein lebenswertes Österreich, dem Land Oberösterreich und dem Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums.

Gestaltung

Rita Schlamberger

Michael Schlamberger