Im Tal der Schneeleoparden
ORF/Doclights GmbH/ZED/Frédéric Larrey
Im Bild: Erst vor kurzem wurde bekannt, dass eine erstaunlich große Zahl von Schneeleoparden in einigen abgeschiedenen Tälern der chinesischen Provinz Qinghai leben. Sie sind extrem selten und äußerst scheu.

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Im Tal der Schneeleoparden

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Im Schatten der Gipfel des tibetischen Hochlandes gibt es in der chinesischen Provinz Qinghai ein verborgenes Tal, das eine ganz besondere Rarität zu bieten hat: hier wandern mehr Schneeleoparden als irgendwo sonst im zentralasiatischen Hochland.

Kaum jemand bekommt die seltenen Raubkatzen je zu Gesicht – klettern sie doch fast lautlos in den steilen Gebirgshängen, durch die Tarnfarbe ihres Fells so gut wie unsichtbar. Und doch ist es einem Kamerateam nun gelungen, die bewegende Geschichte einer Schneeleopardin und ihrer beiden Jungen bildlich festzuhalten. Sie zeigt das entbehrungsreiche Leben in den karstigen Bergen Zentralasiens, wo Nahrung knapp und die Konkurrenz groß ist. Das Weibchen ist fest entschlossen, sich und ihrem Nachwuchs einen festen Platz in diesem Tal zu sichern. Wäre da nicht der „Herr des Tals“, ein kräftiger Schneeleopard, der alles daransetzt, die Herrschaft über sein Territorium zu verteidigen.

Raue Gebirgswelt als Lebensraum

Eisiger Wind, eine Steinlandschaft, deren Gipfel mehrere tausend Meter in den Himmel ragen und dazwischen Grasebenen mit vor Kälte erstarrtem Bewuchs: Der zentralasiatische Winter hat auf den ersten Blick wenig Heimeligkeit zu bieten. Trotzdem haben es sich hier viele Tierarten gemütlich eingerichtet: tibetische Füchse jagen nach den niedlichen Pfeifhasen, die bei Gefahr im Bruchteil einer Sekunde in ihren weitläufigen, unterirdischen Höhlen verschwinden. Steinadler ziehen ihre Runden in den Aufwinden der steilen Gebirgshänge, wo Schrauben- und Blauziegen elegant über das Geröll tänzeln. Und Geier und Elstern vertilgen die Reste jener Beute, die die kleinen Rudel Tibetischer Wölfe übriggelassen haben.

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Mitten unter ihnen wandert ein Schneeleopardenweibchen. Es ist auf der Suche nach einer sicheren Bleibe, wo es seinen Nachwuchs zur Welt bringen kann. Sein Weg führt in ein Tal, das alles zu bieten hat, was Schneeleoparden zum Leben brauchen: schwer zugängliche Höhlen in den Berghängen, um die Jungen gut verstecken zu können, einen Fluss mit kristallklarem Wasser und ausreichend Beutemöglichkeiten.

Eine Schneeleopardin vor einer Felswand, sie ist von trockenen Gräsern umgeben.
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Die Schneeleopardin muss sich vor den Männchen im Territorium in Acht nehmen. Doch ein Tal voller Beute ist das Risiko wert.

Im Tal wohnt auch eine Handvoll Menschen, die eine Yak-Herde betreut. Einige Blauziegen haben sich den losen Yak-Gruppen angeschlossen. Schneeleoparden sind für das Vieh der Hirten eine reale Bedrohung. Ein Rudel Hirtenhunde sind der einzige Schutz für die Yaks, denn für Menschen ist das Töten der seltenen Raubkatzen längst verboten.

Halsbrecherische Jagdmethoden

Schneeleoparden sind seit Jahrzehnten auf der Roten Liste der IUCN, der Weltnaturschutzunion. Schätzungen zufolge gibt es heute nur noch etwa 4000 bis 6500 Schneeleoparden in freier Wildbahn. Diese Großkatzenart bevorzugt unwegsame Bergregionen in Höhen von 2000 bis 6000 Metern. Sie ist kaum einen Meter lang und etwa 60 Zentmeter hoch, aber trotzdem ein gefährlicher Gegenspieler für mittelgroße Huftiere. Schneeleoparden überraschen ihre Beute gern aus nächster Nähe. Auf den letzten Metern verfolgen sie ihr anvisiertes Ziel mit hoher Geschwindigkeit.

Ein Schneeleopard läuft eine steile, verschneite Felswand hinunter.
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Die Pfoten des Schneeleoparden sind wie Schneeschuhe beschaffen und erleichtern es ihm, durch den hohen Schnee zu laufen. Trotzdem ist das Jagen bei solchen Bedingungen nicht einfach.

Ihr überlanger, buschiger Schwanz fungiert dabei als Steuerruder, um das Gleichgewicht im unwegsamen Terrain nicht zu verlieren. Und trotzdem ist nur jede dritte Jagd erfolgreich. Gelingt ein Beutezug, muss der Leopard seinen Fang gegen potenzielle Mitesser verteidigen: tibetische Füchse und Wölfe lauern ebenso auf einen Happen wie die Geier – und Hirtenhunde. Diese verrichten für den Menschen zwar Arbeit, werden aber nicht gefüttert und müssen sich deshalb ebenso der rauen Nahrungskonkurrenz stellen.

Zwei Jahre Mutterschutz

Schneeleopardenweibchen mit Nachwuchs sind noch stärker gefordert als ihre männlichen Artgenossen. Fast zwei Jahre lang begleiten die Weibchen ihre Jungen ins Leben. Damit das Muttertier genügend Nahrung heranschaffen kann, sind die Kleinen oft viele Stunden sich selbst überlassen. Sie sind zwar gut getarnt, aber trotzdem leichte Beute für Greifvögel und Wölfe. Auch das Klettern im steilen Gelände will geübt sein, Abstürze sind unvermeidlich. Wissenschaftliche Schätzungen gehen davon aus, dass etwa 20 bis 30 Prozent der Jungtiere das erste Jahr nicht überleben. Besonders gefährlich ist die Paarungszeit: Kräftige Leoparden-Männchen dringen in das Territorium der Schneeleopardin ein. Wenn es ihnen gelingt, die Jungen zu töten, können sie sich selbst mit dem Weibchen paaren.

Die Leopardin mit ihren beiden Jungen, auf der Suche nach einer sicheren Bleibe, ist gegenüber dem „Herrn des Tals“ gefordert – einem alteingesessenen Schneeleoparden, der die kleine Familie auf Schritt und Tritt verfolgt. Das Weibchen bewegt sich schließlich in seinem großen Revier. Die Heranwachsenden stellen für das Männchen eine kommende Konkurrenz dar – ein Kampf wird unvermeidlich.

Ein Schneeleopard mit einigen Narben im Gesicht. An diesen Stellen wächst kein Fell mehr.
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Das alte Männchen herrscht über das Tal. Die Narben in seinem Gesicht zeugen von durchgestandenen Kämpfen.

Schneeleoparden zu filmen, zählt zu den großen Herausforderungen im Tierfilm. Nun ist es einem Team aus Naturfilmern und Wissenschaftlern gelungen, eine Leopardin und ihre beiden Jungen über einen Zeitraum von zwei Jahren mit der Kamera zu begleiten. „Im Tal der Schneeleoparden“ bietet daher einen selten Einblick in das Sozialverhalten der einzelgängerisch lebenden Großkatzen, zeigt spektakuläre Aufnahmen von ihren halsbrecherischen Jagdmethoden und vermittelt einen umfassenden Eindruck von den festverankerten Hierarchien, der im rauen Gebirgsland lebenden Tierarten. Flug- und Drohnenaufnahmen entführen in die spektakuläre Kulisse der zentralasiatischen Bergwelt – Heimat der letzten Schneeleoparden der Erde.

Regie: Frédéric Larrey
Bearbeitung ORF: Doris Hochmayr

Gestaltung

Frédéric Larray

Bearbeitung

Doris Hochmayr