Nicht alle wollten mit aufs Foto.
Nicht alle wollten mit aufs Foto.

Das Lueger-Denkmal am Stubentor

Wie geht man mit Denkmälern um, wenn die dargestellten Personen nach dem heutigen Wissensstand in anderem Licht erscheinen? Jugendliche von Potenzial Jugend besuchten das umstrittene und vieldiskutierte Denkmal von Dr. Karl Lueger am Stubentor, wo aktuell auch eine temporäre Holzkonstruktion zu sehen ist. Vesna, Jonathan, Marko, Luka, Randy und Leonie machen sich Gedanken zum Zustand des Denkmals, zu Karl Lueger, zur temporären Holzkonstruktion und präsentieren ihre eigenen Vorschläge für eine Neugestaltung des Platzes …

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Es kommt drauf an

Wenn sich herausstellt, dass eine Person, die ein Denkmal bekommen hat, eigentlich schlechte Dinge in der Vergangenheit getan hat, dann kommt es darauf an, was genau sie getan hat. Die Statue von Winston Churchill wurde auch mit Farbe bemalt, weil er eben ein Rassist war, doch die Sachen, die er im 2. Weltkrieg getan hat, haben viele Menschenleben gerettet. Das finde ich dumm einfach, warum man das macht. Wenn jemand etwas Schlechtes getan hat, muss es nicht bedeuten, dass diese Person komplett schlecht war. Doch wenn das Schlechte das Gute überdeckt, kann man das nicht mehr als eine gute Sache betrachten.

Was ich machen würde mit dem Denkmal von Karl Lueger? Ich würde die Statue komplett putzen lassen und würde die Farbe entfernen. Davor würde ich noch ein paar Fotos machen und dann Tafeln in der Nähe der Statue hinstellen und darunter einen Text schreiben, was Lueger gemacht hat, positiv und negativ.

Autor: Marko

Marko: „Einfach dumm, die Bemalung.“
Marko: „Einfach dumm, die Bemalung.“

Der Ersteindruck kann trügen

Nicht nur in der Arbeitswelt kann es zu einem voreiligen Ersteindruck kommen, sondern eigentlich überall. Dieses Denkmal ist ein sehr gutes Beispiel dafür, weil ich jahrelang regelmäßig daran vorbeigegangen bin und mir beim Anblick nur gedacht habe, dass die Person wahrscheinlich nur Gutes getan haben wird. Allerdings habe ich mich nie über diese Person erkundigt und wusste deshalb nicht, dass auch sie ihre Schattenseiten hatte.

Auf meinem Foto sieht man eine Rose, wobei man sich fragen kann: Warum eine Rose und nicht das Denkmal selbst? In meinen Augen hat die Statue Gemeinsamkeiten mit der Rose, weil man beim Anblick beider erst die positive Seite sieht. Erst bei genauerem Hinschauen sieht man die Tücken.

Was würde ich mit dem Denkmal machen? Als erstes würde ich es reinigen und alle Schmierereien entfernen. Meine Idee wäre es, den Boden stichwortartig mit guten und schlechten Eigenschaften und Handlungen von Lueger zu „bemeißeln“, so dass sich jeder Besucher des Denkmals sofort ein eigenes Bild machen kann. Mir geht es darum, dass sich jede Person möglichst schnell einen Eindruck darüber machen kann, wie Lueger gehandelt hat und wie sich das ausgewirkt hat.

Autor: Jonathan

Foto von Jonathan: „Können eine Rose und ein Denkmal etwas gemeinsam haben?“
Foto von Jonathan: „Können eine Rose und ein Denkmal etwas gemeinsam haben?“

Respektlos aus Wut!?

Ich finde es respektlos, wenn man ein Denkmal beschmiert. Wenn die Person nicht nur Schlechtes gemacht hat, soll halt nicht nur das Schlechte, sondern auch das Gute betrachtet werden. Denkmäler müssen ja nicht nur Gutes zeigen, sie könnten ja auch zeigen, was die Person nicht richtig gemacht hat.

Wenn ich ganz normal an dem Denkmal vorbeigehen würde, dann würde mich das Gesprühte nicht viel zum Nachdenken bringen, sondern ich würde mir nichts weiter denken. Das, was mich ein bisschen stört, ist, dass durch das Gesprühte alles dann so bunt ist.

Ich würde das Denkmal einfach nur säubern und eine Tafel dazu aufstellen, auf der steht, was er gut oder schlecht gemacht hat. Die Leute, die es interessiert, die werden eh auch im Internet recherchieren, die Leute, die es nicht interessiert, die werden wahrscheinlich auch die Tafel nicht lesen.

Autor: Randy

Randy: „Muss man gleich respektlos werden, nur weil man wütend ist?“
Randy: „Muss man gleich respektlos werden, nur weil man wütend ist?“

Peinlich

Die, die was gesprüht haben, sollten sich schämen. Ich habe mich geärgert, als ich die gesprühten Sachen gesehen habe. Es hat mich geärgert, dass die „Schande“ gesprüht haben und auch über die Leute, die klein am Denkmal zu sehen sind, drübergesprüht haben (kannst du unten auf meinem Foto sehen). Diese Leute sind ja an nichts schuld, das sind nur Arbeiter. Es ist einfach nicht schön.

Ich würde den Platz reinigen, alles weggeben, entfernen. Ich würde Tafeln aufstellen mit positiven und negativen Sachen, was er gut gemacht hat und was er schlecht gemacht hat. Ja, er war rassistisch, er war kein perfekter Mensch, aber dafür muss man ihn nicht hassen oder mögen.

Das Denkmal zu sehen und was dort alles gebaut wurde, hat Spaß gemacht, auch das Foto-Machen, vor allem als ich Leonie fotografiert habe. Es sieht auf dem Foto ja so aus, als ob sie ihm ihre Faust ins Gesicht schlagen würde. Das war zuerst gar nicht so einfach, das so hinzukriegen.

Autorin: Vesna

Vesna: „Diese Menschen sind doch unschuldig. Warum wurden sie auch besprüht?“
Vesna: „Diese Menschen sind doch unschuldig. Warum wurden sie auch besprüht?“

Neues Denkmal?

Man könnte denken, an diesem Platz ist eine Baustelle. Warum? Ich dachte zuerst, dass dieses Holzteil dort noch eine laufende Baustelle ist. Die Holzteile sind in verschiedenen Farben angemalt – gelb, rosa, rot, blau und was weiß ich – und haben verschiedene Formen. Dann haben wir gehört, dass diese Holzkonstruktion ein Kunstwerk sein soll. Für ein Jahr. Die Formen von dem Holzding sollen Stellen in Wien darstellen, wo der Name von Karl Lueger vermerkt ist. Aber ich habe das nicht wahrgenommen. Aber vielleicht soll es ja auch wie eine Baustelle ausschauen? Eine Baustelle der Diskussionen?

Bei diesem Denkmal von Karl Lueger ist mir aufgefallen, dass überall „Schande“ draufsteht, was auch zu ihm passt. Ich habe dieses Foto unten so wie ich es wollte von Vesna machen lassen, weil da kann man sehr gut erkennen, was ich von ihm halte.

Wir haben dann die Aufgabe bekommen, darüber nachzudenken, was wir als eine Person, die das entscheiden darf, an diesem Platz ändern würden. Ich habe mir dann gedacht, dass ich eine riesige flauschige Katze hinstellen würde, die nur Mädchen anfassen dürfen. Weil Jungs würden die wahrscheinlich schmutzig machen. Und das Denkmal sollte „Die Herrscher der Welt“ heißen. Warum? Weil Katzen süß sind und vor allem sehr gut zuhören können. Man kann ihnen alles erzählen und die sagen es auch nicht weiter. Und wer so ist, sollte die Welt beherrschen!

Ich würde ein Foto vom jetzigen Denkmal machen und neben dem Katzendenkmal hinstellen, dass sich die Menschen auskennen, was davor dort war und warum es geändert wurde. Ich würde auch noch so eine Infotafel hinstellen mit Infos wie zum Beispiel: „Karl Lueger war gegen Juden und er war generell rassistisch und er hat irgendwie auch was mit den schlimmen Sachen gegen die Juden im 2. Weltkrieg zu tun, weil Adolf Hitler ihn als Vorbild genommen hat.“

Autorin: Leonie

Leonie: „Hier kann man sehr gut erkennen, was ich von Karl Lueger halte.“ (Foto von Vesna)
Leonie: „Hier kann man sehr gut erkennen, was ich von Karl Lueger halte.“ (Foto von Vesna)

Was eine Schande!

Die Statue ist ja besprüht worden. Die haben aber nur „Schande“ raufgesprüht. Wenn man sie nicht kennt, würde man sich denken: Was haben die gemacht? Ich hätte das anders gemacht. Und zwar würde ich Farbe in Luftballons reingeben – blau, gelb, grün, lila, weiß, rot, orange, pink. Und ich würde sie von jeder Seite abwerfen, dass die Statue komplett mit Farbe wäre, und nicht nur eine Seite, dass einfach alles voll ist mit Farbe. – Wow!!!

Das Holzkonstrukt ist meiner Meinung nach unnötig. Das sieht aus wie von einem Kind gemacht. Das soll ja ein Kunstwerk sein. Es hat aber keine Bedeutung für mich. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass es ein Gesprächsthema ist.

Ich frage mich, warum so lange niemand etwas gemacht hat. Das Denkmal gibt es schon seit fast 100 Jahren. Warum hat früher niemand was gemacht, warum erst jetzt was darauf gesprüht? Man hätte viel früher was machen können. Warum nicht? – Keine Ahnung, vielleicht haben sie sich früher nicht getraut.

Ich würde über die Statue so ein Glas machen. Auf dem Glas stehen dann auf zwei Seiten gute Sachen, die er gemacht hat, und auf zwei Seiten schlechte Sachen. In verschiedenen Sprachen, Deutsch und Englisch auf jeden Fall. Und auch ein QR-Code, mit dem alle Sprachen sichtbar werden können.

Autor: Luka

Luka: „So sieht der Platz aus, wenn man auf der Bank sitzt und ihn von dort fotografiert.“
Luka: „So sieht der Platz aus, wenn man auf der Bank sitzt und ihn von dort fotografiert.“

„Bühne Oida!“ - eine Initiative von ORF III Kultur und Information und Vera Schmidt in Zusammenarbeit mit der Plattform Social City Wien und dem Verein T.I.W.-Training, Integration & Weiterbildung.

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