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ORF

Die besten 10 im März 2024

Die Jury hat aus den unzähligen Neuerscheinungen ihre Lieblingsbücher gewählt.

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Lichtungen
Klett-Cotta

1. Iris Wolff (37 Punkte) NEU

„Lichtungen“, Klett-Cotta

Mit dem vielgelobten Roman „Die Unschärfe der Welt“ gelang Iris Wolff 2020 der literarische Durchbruch. Die Schriftstellerin wurde 1977 in Siebenbürgen geboren, noch im Kindesalter zog sie mit ihrer Familie nach Deutschland. Das Aufwachsen in diesem Teil Rumäniens ist Dreh- und Angelpunkt ihres Schreibens geblieben, so auch im neuen Roman „Lichtungen“. Hauptfiguren sind die quirlige Kato und der ruhige Lev, die einander seit ihrer Kindheit im Rumänien Ceausescus kennen – doch all das erfahren wir eigentlich erst später, denn: Wolff erzählt hier die Geschichte einer Freundschaft im Rückwärtsgang. Der Roman setzt ein mit Kapitel 9; das ungleiche Paar befindet sich gerade auf einer Reise quer durch Europa. „Wann kommst du?“ hatte Kato, die seit 5 Jahren als nomadische Straßenmalerin unterwegs ist, ihrem Freund auf einer Postkarte aus Zürich geschrieben – was dem zögerlichen Lev endlich den Mut gab, seine Heimat zu verlassen. Mit jeder Seite erfährt man mehr über den Ursprung dieser Freundschaft, an der Wolff unaufdringlich die jüngere Geschichte Rumäniens vorbeirauschen lässt.  

Karawanken
Suhrkamp

2. Julia Jost (36 Punkte) NEU

"Wo der spitzeste Zahn der Karawanken in den Himmel hinauf fletscht", Suhrkamp

Julia Jost wird momentan als vielversprechendste neue Stimme der heimischen Literaturszene gehandelt. 2019 trat die gebürtige Kärntnerin beim Wettlesen um den Ingeborg-Bachmann-Preis in Klagenfurt an und wurde mit dem Kelag-Preis ausgezeichnet. Aus dem Text, den sie dort las, ist nun ihr Debut „Wo der spitzeste Zahn der Karawanken in den Himmel hinauf fletscht“ entstanden, veröffentlicht im renommierten Suhrkamp-Verlag. Mit dem Roman stellt sich Jost klar in die Tradition der Anti-Heimat-Literatur und findet dabei doch einen ganz eigenen, erfrischend heiter-ironischen Ton. Ausgehend von ihrer eigenen Kindheit im Kärnten der 80er und 90er Jahre entfaltet die Autorin eine genussvoll überzeichnete, grotesk-komische Dorfwelt: Stammtisch, NS-Verherrlichung, Freunderlwirtschaft. Auch alte Bekannte aus der Kärntner Polit-Elite sind unschwer zu erkennen. Doch den Roman auf diese politische Dimension zu reduzieren, wäre verfehlt. Im Zentrum steht die gewitzt-boshafte Sprache einer Autorin, von der man noch viel hören wird.

Mehr dazu auf Ö1.orf.at

Zitronen
Suhrkamp

3. Valerie Fritsch (27 Punkte) NEU

„Zitronen“, Suhrkamp

2015 hat die damals gerade einmal 25-jährige Valerie Fritsch mit ihrem Weltuntergangs-Roman „Winters Garten“ einen weitreichenden Erfolg gelandet. Heute ist Fritsch eine fixe Größe in der deutschsprachigen Literatur. In ihren Büchern arbeitet sie sich oft an schwierigen Familienkonstellationen ab, so auch im neuen Roman „Zitronen“. Alles dreht sich darin um eine perfide Art des Kindesmissbrauchs, dem Münchhausen-Stellvertretersyndrom. Zu rund 95% Prozent handelt es sich bei den Tätern um Frauen, meist die leiblichen Mütter der Opfer, die ihre Kinder gezielt krank machen, um sich nach außen hin aufopfernd um sie zu kümmern. Die Täterin in Fritschs Roman ist eine gescheiterte Frau, die immer davon träumt, jemand anderer zu sein als sie selbst. Dem Opfer, ihrem Sohn, gelingt es sich aus dieser grausamen Zärtlichkeit zu lösen. Auf sich allein gestellt steht er vor der Aufgabe, den Scherben seiner Existenz zu entwachsen.  

Mehr dazu auf FM4.orf.at

Content
Zsolnay

4. Elias Hirschl (23 Punkte)  

„Content“, Zsolnay

Elias Hirschl, Jahrgang 1994, zählt zu den bemerkenswerten jüngeren Autoren Österreichs. Mit seinem Roman „Salonfähig“, der als Politsatire über die Kanzlerschaft von Sebastian Kurz gelesen wurde, ist ihm 2021 der literarische Durchbuch gelungen. Sein neuester Roman heißt „Content“ und ist eine ebenso gewitzte wie bösartige Abrechnung mit der schönen neuen digitalen Welt und ihren Abgründen. Protagonistin ist eine verhinderte Schriftstellerin, Anfang 30 und prekär beschäftigt bei einer Firma namens „Smile Smile“, die auf die Produktion von sinnentleerten Inhalten für das Netz spezialisiert ist. Auf das Herstellen von Content also, dessen Zweck allein im Generieren von Zugriffszahlen besteht. Darunter: so genannte ‚Listicles’: Listen nach dem Modell „Die Top 15 der tödlichsten Flugzeugabstürze“ und diverse absurde Videos. Wer hinter dieser Firma steckt und wie genau sie mit diesem digitalen Müll Geld verdienen, weiß niemand so genau. Und warum die Gehaltszettel trotz Sitzes in Deutschland eigentlich im kyrillischen Alphabet verfasst sind, traut sich auch keiner nachfragen – denn mit der Drohung, die Arbeit künftig nur noch von KI erledigen zu lassen, treibt die Firma ihre Belegschaft vor sich her.

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Gnade
dtv

5. ex aequo: Joy Williams (19 Punkte) NEU

„In der Gnade“, dtv
Übersetzung: Julia Wolf

In den USA gilt die Schriftstellerin Joy Williams als eine Art Göttin der Kurzgeschichte, die Liste ihrer Verehrer reicht von Raymond Carver über Jonathan Franzen bis hin zu Bret Easton Ellis. Im deutschsprachigen Raum beginnt man gerade erst mit der Entdeckung der 1944 geborenen Schriftstellerin, letztes Jahr veröffentlichte der dtv ein Best-of ihrer Kurzgeschichten, nun legt er mit der deutschen Erstübersetzung ihres Romandebuts nach. Als „In der Gnade“ 1973 erschien, wurde es prompt für National Book Award nominiert – es heißt, Williams habe damals dem schließlich für „Gravity’s Rainbow“ ausgezeichneten Thomas Pynchon harte Konkurrenz gemacht. Der Roman erzählt von einer toxischen Vater-Tochter-Beziehung: Nach dem Tod von Mutter und Schwester wächst Kate allein mit ihrem Vater auf, einem Guru-haften Prediger, der sie von Kindesalter mit besitzergreifender Liebe erdrückt. Als junge Frau gelingt es ihr schließlich, sich zu lösen. Sie verliebt sich, erwartet ein Kind. Doch ihre Traumata beginnen sich dem schönen neuem Leben nach und nach zu bemächtigen.

Haushofer
Claassen

5. ex aequo: Marlen Haushofer (19 Punkte)

„Die gesammelten Romane und Erzählungen“, Claassen    

Endlich haben der Claassen-Verlag und das Adalbert-Stifter-Institut eine gewaltige Leerstelle innerhalb der österreichischen Germanistik geschlossen: Mehr als 50 Jahre nach Marlen Haushofers Tod liegt nun die erste Werkausgabe der Schriftstellerin vor. Die 1920 in Oberösterreich geborene Haushofer zählt zu den eigensinnigsten Stimmen der österreichischen Nachkriegsliteratur. Zu Lebzeiten unterschätzt, als Hausfrauenprosa missverstanden, gerieten ihre Bücher erst in den 80er Jahren, ein Jahrzehnt nach ihrem Tod, wieder in den Fokus. Mittlerweile gilt Haushofer als Chronistin weiblicher Lebenswelten, die Verfilmung ihres wohl bekanntesten Roman „Die Wand“ verhalf Marlen Haushofer 2012 zu großer Popularität. Schonungslos und präzise schreibt sie in ihren Romanen und Erzählungen gegen die Fassade der kleinbürgerlichen Lebenswelt an, die sie als Zahnarztgattin in Steyr selbst nur zu gut kannte. Ihre Protagonistinnen, fast ausschließlich Frauen, eint das Gefühl des Fremdseins. Haushofer selbst sah sich als stille Beobachterin: „Ein Romanautor sollte nichts anderes sein als ein Zuschauer, der den Menschen und Vorgängen in seinem Buch Zeit lässt, sich behutsam zu entwickeln“, heißt es in „Die Tapetentür“.

Copperhead
dtv

7. Barbara Kingsolver (18 Punkte) NEU

„Demon Copperhead“, dtv
Übersetzung: Dirk van Gunsteren 

Wenn Sie der Romantitel „Demon Copperhead“ an irgendwas erinnert, dann sind Sie schon auf der richtigen Spur. Barbara Kingsolver wagt hier eine Romanüberschreibung der ausgefallenen Art: Sie hat Charles Dickens‘ „David Copperfield“ ins heutige Amerika versetzt, und zwar ausgerechnet in den Mittleren Westen. Rednecks, White Trash, Trailerpark – das volle Programm. Anlass für dieses Romanexperiment sei Dickens‘ Umgang mit dem Thema Kinderarmut gewesen, schreibt die Autorin im Nachwort. Denn die katastrophalen Zustände, die Dickens Mitte des 19. Jahrhunderts beschrieb, lägen mitnichten hinter uns. Der kleine Demon, der Held in Kingsolvers Roman, wächst in einem Wohnwagen auf, wie sein literarisches Vorbild hat er einen saufenden, zu sadistischer Gewalt neigenden Stiefvater. Empathisch und gleichzeitig ungemein humorvoll wird sein schwieriger Werdegang geschildert: bittere Armut, Pflegefamilien, Drogensucht. Doch Demon ist ein zäher Knochen und kämpft sich mit großer Klappe unbeirrt durchs Leben.

Doktor Garin
Kiepenheuer und Witsch

8. Vladimir Sorokin (15 Punkte) NEU

„Doktor Garin“, Kiepenheuer und Witsch
Übersetzung: Dorothea Trottenberg

Der russische Schriftsteller Vladimir Sorokin, bekannt für seine fantastischen und zugleich politisch brisanten Romane und Theaterstücke, scheut keine Risiken. Einige seiner Bücher sind von regierungsnahen Organisationen bereits öffentlich verbrannt oder aus Buchhandlungen und Bibliotheken entfernt worden. Seit dem russischen Überfall auf die Ukraine lebt Sorokin im Exil in Berlin. Dort hat er jetzt sein neues Werk mit dem Titel „Doktor Garin“ präsentiert. In einem düsteren Sanatorium im Altaigebirge entfalten sich die Heilkünste des Psychiaters Doktor Garin. Hier werden Politiker mit riesigen Hinterteilen und flexiblen Händen behandelt - geschaffen, um Probleme auszusitzen und Dokumente zu unterschreiben. Hier ist auch ein Sonderfall der Weltpolitik untergebracht - der ehemalige Diktator mit Zwangsneurosen Wladimir Putin, der sich für keine seiner Taten verantwortlich fühlt. Soviel an literarischer Freiheit wagt der Dissident Vladimir Sorokin. Im Russland der realen Gegenwart ist sie lebensgefährlich.

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Der Weg
Marsyas

9. Anna Seghers (14 Punkte) NEU

„Der Weg durch den Februar“, Marsyas

Anna Seghers gilt als Ikone der Exilliteratur. Mit dem Roman „Das siebte Kreuz“, 1942 nach der Flucht vor den Nationalsozialisten in den USA veröffentlicht, wurde sie weltberühmt. Das Buch, das die fiktive Fluchtgeschichte eines KZ-Häftlings erzählt, hat 20 Millionen Leser erreicht und wurde damals auch als Taschenbuchausgabe für die in Europa kämpfenden GIs publiziert. Mit „Der Weg durch den Februar“ liegt nun ein Frühwerk der Autorin neu auf, erstmals veröffentlicht 1935 in Paris. Es ist ein Roman über den österreichischen Februaraufstand, den das Dollfuß-Regime in nur fünf Tagen niedergeschlagen hat. Zehn Wochen nach dem Ende der Kämpfe reiste Anna Seghers nach Österreich, um für den Roman zu recherchieren. Die Ereignisse werden darin über unterschiedliche Handlungsstränge erzählt, die jeweils einzelne Schicksale der insgesamt 89 Toten und mehr als 1000 Verwundeten herausgreifen.

Die Stadt
DuMont

10. Haruki Murakami (12 Punkte) NEU

„Die Stadt und ihre ungewisse Mauer“, DuMont
Übersetzung: Ursula Gräfe

Sein Name ist längst zu einem Synonym für „Bestsellerautor“ geworden: Haruki Murakami. Seit Jahrzehnten legt der inzwischen 75-jährige Japaner einen Erfolgsroman nach dem andern vor, allein im deutschsprachigen Raum hat er bislang 6,5 Millionen Bücher verkauft. Auch auf den Wettlisten für den Literaturnobelpreis hält sich Murakami konstant im oberen Drittel. In seinem neuen Roman „Die Stadt und ihre ungewisse Mauer" setzt der Schriftsteller auf das bewährte Rezept. Die Grenze zwischen Fantasie und Wirklichkeit verschwimmt, alles dreht sich um eine rätselhafte, von der Außenwelt auf magische Weise abgeriegelte Stadt. Die Menschen leben ein archaisches und ausgesprochen bescheidenes Leben. Aber sie sind glücklich, oder zumindest: nicht unglücklich. Murakamis Hauptfigur macht sich auf in diese geheimnisvolle Stadt, um seine große Liebe zu suchen, die zuvor ganz plötzlich aus seiner Welt verschwunden ist. Doch hinter die Stadtmauern treten darf nur, wer sich von seinem Schatten trennt – und ohne diesen ist eine Rückkehr unmöglich.  

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