
Schrecklich schöne Bausünden:
Größenwahn
Der Normverstoß gegen den so genannten guten Geschmack, der Stilbruch, das scheinbar Hässliche: sie sind nicht selten faszinierender und reizvoller als das offensichtlich Gefällige – zumal in der Architektur. Eine vierteilige Doku-Reihe setzt sich mit Bauwerken auseinander, die als architektonische Sündenfälle abqualifiziert wurden, aber heute, aus neuer Perspektive betrachtet, durchaus in ihren Bann schlagen können.In dieser Folge geht es um architektonisches Protzgehabe: höher, weiter, länger - wer hat den Größten?

Regisseur Ralf Pleger besteigt eines der ikonischsten Gebäude der westlichen Welt, das einst mit seiner damaligen Rekordhöhe von 330 Metern von Pariserinnen und Zeitgenossen als himmelschreiender Normverstoß betrachtet wurde: der Eiffelturm.

Und er sucht die längste Wohnanlage der Welt mit belasteter Vergangenheit auf: das sich über fünf Kilometer hinstreckende ehemalige „Kraft durch Freude“-Seebad Prora auf Rügen.

Die Anmaßung, die Selbstüberschätzung, der Größenwahn: ihnen scheint das Sündhafte genuin eingeschrieben, zumal, wenn sie sich in der Architektur manifestieren. Man denke nur an den Turmbau zu Babel. Hochmut kommt vor dem Fall, unkten einst auch Pariserinnen und Pariser, als ein bis dato undenkbares Projekt Gestalt annahm: Mit der kühnen Stahlkonstruktion des Gustave Eiffel wurde der seinerzeit höchste Turm der Menschheitsgeschichte in die Stadtlandschaft geklotzt – und dies ohne richtige Baugenehmigung.

Der Eiffelturm sollte nur für die Pariser Weltausstellung von 1889 und einen absehbaren Zeitraum danach die Grande Nation repräsentieren. Doch der Bau entwickelte sich schnell zum Publikumsmagneten und trotzt bis heute ehern Wind und Wetter. Richtig zu Hause fühlt sich hier der Animations-Filmemacher Savin Yeatman-Eiffel. Wenig Wunder: wie schon sein Name vermuten lässt, ist er ein Nachfahre des Ingenieurgenies Gustave Eiffel.

Wie ein überdimensionierter Kamm zieht sich die Wohnanlage von Prora die Küste Rügens entlang: vorne eine glatte Fassade, hinten auskragende Zinken. Der Blick aufs Meer ist formidabel. Manche Bewohner und Touristen mag beim Einzug in den „Koloss von Rügen“ dennoch ein etwas mulmiges Gefühl beschlichen haben. Das Seebad wurde einst von der Nazi-Organisation „Kraft durch Freude“ errichtet und ermöglichte es 20.000 Menschen gleichzeitig, hier zu urlauben.

Die belastete Vergangenheit wird indes nicht verschwiegen, sondern in einem Dokumentationszentrum aufgearbeitet.
Regie
Ralf Pfleger