Der stumme Büßer zu Ossiach

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An einem stürmischen Herbstabend im Jahr 1081 pochte ein Pilger an die Pforten des Klosters zu Ossiach und bat in der Zeichensprache eines Stummen um Einlass. Der Pförtner ließ den Gast eintreten. Man reichte ihm Abendbrot und wies ihm ein Nachtlager zu.

Als man aber am Morgen erwartete, der Besucher werde seinen Weg fortsetzen, flehte er mit Gebärden den Abt an, im Kloster bleiben zu dürfen. Zögernd willigte dieser ein, den stummen Gast als Knecht weiter zu beherbergen. Willig fügte sich der Fremdling in seine armselige Stellung und verblieb im Kloster. Geduldig, fleißig und bescheiden wie wenige erwarb er sich die Zuneigung aller.

Acht Jahre, nachdem der Fremde das Stift betreten hatte, erkrankte er schwer. Er fühlte, dass sein Ende bevorstand. Nun öffneten sich die lange verschlossenen Lippen des Sterbenden und enthüllten den versammelten Mönchen das Rätsel seines Standes und seiner Herkunft. Der stumme Knecht war Polenkönig Boleslaus II. Gegen dessen leichtfertigen Lebenswandel hatte sich Bischof Stanislaus von Krakau erhoben.

Stumme Büßer zu Ossiach
ORF
Der Pförtner öffnet dem Büßer die Türe

Als sich sein grausamer Fürst nicht bessern wollte, schloss der Bischof ihn aus der Gemeinschaft der Kirche aus. Von des Bischofs Kühnheit gereizt, sandte König Boleslaus II. Söldlinge aus, um den frommen Mann in der Kirche zu ermorden. Doch diese wagten es nicht, den schlimmen Auftrag auszuführen. So brach der König selbst mit einigen Begleitern in die Kirche ein und erschlug den Priester am Altar. Vor dem darauffolgenden Aufstand des Volkes floh Boleslaus II. und beschloss, von Gram und Reue gepeinigt, nach Rom zu ziehen. Dort wollte er sein Gewissen entlasten und um Aufhebung des Kirchenbannes bitten.

Auf dem Wege dahin erreichte der König Ossiach, dessen Weltabgeschiedenheit in ihm den Entschluss reifen ließ, hier als stummer Büßer sein Leben zu beschließen. Erst am Sterbebett enthüllte er den gerührten und erstaunten Mönchen die Geschichte seines Frevels und seiner Sühne. Als Beweis der Wahrheit übergab Boleslaus II. dem Abt seinen Siegelring mit dem königlichen Wappen.