
1921 - 100 Jahre Burgenland bei Österreich
Nachdem sich ORF III Kultur und Information bereits im Herbst 2020 mit der Geschichte Wiens, Kärntens und der Steiermark, und im Oktober 2021 mit Salzburg und Oberösterreich befasst hat, steht das Programm des Senders im November 2021 erneut im Zeichen bewegter Regionalgeschichte Österreichs. Anlässlich der 100-jährigen Zugehörigkeit des Burgenlands zu Österreich 2021 blickt die „zeit.geschichte“ am 13. November auf das jüngste Bundesland der Republik: im Mittelpunkt eines vierteiligen Themenabends stehen die ORF-III-Neuproduktion „100 Jahre Burgenland bei Österreich“, eine weitere neue „Baumeister der Republik – Die Landeshauptleute“-Folge über Theodor Kery und ab 21.55 Uhr der Zweiteiler „St. Germain und die Folgen“, der jene wechselhaften Ereignisse beleuchtet, die die Geschichte des Burgenlands maßgeblich beeinflussten.
Samstag, 13.11.2021, 20.15 Uhr
1921 - 100 Jahre Burgenland bei Österreich
Spätsommer 1921. Das Il. Bataillon des 5. Infanterie-Regimentes sichert die ehemalige Grenze zwischen Österreich und Ungarn. Kurz zuvor haben Gendarmerie-Einheiten in Erfüllung der Friedensverträge das Gebiet des heutigen Burgenlandes besetzt und sind dabei auf heftigen, bewaffneten Widerstand gestoßen. Seit Beginn der Besetzung des Burgenlandes durch die österreichische Gendarmerie am 28. August ist es immer wieder zu Kampfhandlungen mit ungarischen Freischärlern bekommen. In den frühen Morgenstunden des 5. September 1921 wird der Gendarmerieposten in Deutsch-Gerisdorf angegriffen. Nach kurzem Kampf müssen sich die Gendarmen über die Grenze bei Kirchschlag zurückziehen. Es ist mehr eine Flucht als ein Rückzug. Die 5. Kompanie sichert an die Landesgrenze an der Pilgersdorfer Straße und gerät in schweres MG-Feuer. Bald darauf fallen auch in Kirchschlag die ersten Schüsse. Das Gefecht in Kirchschlag wird eines der blutigsten rund um den Anschluß des Burgenlandes an Österreich vor 100 Jahren.

Anlässlich des Jubiläums beschreibt die neue ORF III-Dokumentation, wie das Burgenland im Jahr 1921 zum jüngsten Bundesland Österreichs wurde. Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs ist die Habsburger-Monarchie zerfallen. Sie zerfällt nicht zuletzt wegen des von US Präsident Woodrow Wilson im Jahr 1916 geforderten Selbstbestimmungsrechts der Nationen. Auch die junge Republik Deutsch-Österreich muss sich mit Gebietsverlusten abfinden. Der Friedensvertrag von St. Germain im Jahr 1919 wird als unerträglich empfunden. Der Vertrag enthält für das nunmehr „kleine“ Österreich eine einzige erfreuliche Bestimmung: Deutsch-Westungarn soll an die junge Republik angeschlossen werden. Basierend aus dem Selbstbestimmungsrecht hat die Bevölkerung der westungarischen Komitate Pressburg, Wieselburg, Ödenburg und Eisenburg, zu circa zwei Drittel mit Deutschen besiedelt, in Paris den Anschluss an Österreich gefordert. In Budapest fügt man sich offiziell den Bestimmungen des Friedensvertrages von Trianon, unterstützt aber heimlich paramilitärische Freischärlerverbände die eine Landnahme verhindern sollen.
Bis zur tatsächlichen Übergabe des Burgenlandes im Herbst 1921 kommt es zu bisher wenig aufgearbeiteten Ereignissen - zu Kämpfen im Grenzgebiet. Dabei droht aus lokalen Konflikten eine große militärische Auseinandersetzung zu werden. Erst im Oktober 1921 kann auf Vermittlung Italiens in den Venediger Protokollen ein Kompromiss erzielt werden: Deutsch-Westungarn - das heutige Burgenland - kommt als eigenes Bundesland zu Österreich, auf die Stadt Ödenburg muss man jedoch verzichten. Den Geheimverhandlungen folgt eine Volksabstimmung und Propagandaschlacht.
In der Pammer Film Produktion zeichnet Regisseur Wolfgang Winkler die Ereignisse von damals nach, und lässt damit ein Stück österreichischer Geschichte lebendig werden.
21.05 Uhr
Baumeister der Republik - Die Landeshauptleute: Theodor Kery
Theodor Kery prägte in seinen zwei Jahrzehnten als Landeshauptmann das Burgenland wie kaum ein anderer Politiker. Die ORF-III-Neuproduktion zeichnet das Bild eines Landerneuerers, der alle Höhen und Tiefen einer langen Politikerlaufbahn mitmachte. Er gilt als der Modernisierer des als rückständig geltenden Landes zwischen Neusiedl und Güssing, das in seiner Amtszeit einen enormen Aufschwung erlebte.

Nachdem 1964 das Land die SPÖ gewählt hatte, wurde Kery zwei Jahre später zweiter roter Landeshauptmann. Insgesamt vier Mal konnte er der SPÖ die Absolute sichern. Trotz toller Wahlerfolge spitzte sich in jenem Jahr aber auch die innerparteiliche Kritik an seinem autoritären Führungsstil zu. Sie mündete in den berühmten „drei Fragen“ des damaligen Jungfunktionärs Josef Cap: „Stimmt es, dass dein Einkommen wirklich um so vieles größer ist als das Einkommen des Bundeskanzlers? Stimmt es, dass du trotzdem verbilligten Strom beziehst? Stimmt es, dass du gerne mit Pistolen schießt?“ Kery überstand Caps Inquisition, fünf Jahre später jedoch verlor er die Absolute. Er zog sich daraufhin ins Privatleben zurück.
In den 1990er Jahren stand er noch einmal im Scheinwerferlicht, als er wegen falscher Zeugenaussage in der Waldheim-Affäre verurteilt wurde. Er hatte bestritten, dass Fred Sinowatz 1985 im SPÖ-Parteivorstand angekündigt hatte, die österreichische Bevölkerung auf Waldheims „braune Vergangenheit“ aufmerksam machen zu wollen. Dabei teilte Kery diese mit dem umstrittenen Bundespräsidenten. Obwohl 1918 als Sohn eines ungarischen Kleinadeligen unter dem Namen Kery Tivadar in eine christlich-konservative Familie geboren, trat er später der SA und der NSDAP bei. Nach dem Krieg durfte er deswegen als „Minderbelasteter“ erst ab 1947 als Lehrer in Kobersdorf arbeiten. Ab dann wandte er sich der SPÖ zu, für die er ab 1951 im Landtag und ab 1962 in der Landesregierung saß. 2010 starb Theodor Kery 91-jährig.
21.55 Uhr
St. Germain und die Folgen - Der Süden (1/2)
Am 10. September 1919 wurde in St. Germain der Friedensvertrag zwischen Österreich und der Entente unterzeichnet. Die Friedensbedingungen waren eine Katastrophe für die junge Republik. Hohe Reparationszahlungen, der Verlust von deutschsprachigen Gebieten und das Anschlussverbot trafen die Österreicherinnen und Österreicher hart. Das Wort „Deutsch“ musste aus der Staatsbezeichnung gestrichen werden.

22.45 Uhr
St. Germain und die Folgen - Der Norden (2/2)
Der zweite Teil der ORF-III-Produktion beschäftigt sich mit jenen deutschsprachigen Gebieten im Norden Österreichs, die nach dem Vertrag von St. Germain an die Tschechoslowakei gingen: Böhmen und Südmähren.
Noch bevor im November 1918 in Wien die Republik Deutsch-Österreich ausgerufen wurde, erklärte sich die Tschechoslowakei zu einem eigenen Staat und löste sich aus der Donaumonarchie. Die deutschsprachigen Gebiete wurden dabei von beiden Staaten beansprucht. Im Vertrag von St. Germain, der am 10. September 1919 unterzeichnet wurde, erkannten die alliierten Siegermächte die traditionellen Grenzen der Kronländer Böhmen und Mähren als Grenzen der Tschechoslowakei an, wodurch auch die deutschsprachigen Gebiete fortan dorthin gehörten. Eine riesige Enttäuschung für die in Böhmen und Mähren lebenden deutschsprachigen Menschen ebenso wie für die Politiker in Wien.
Mit dem Vertrag von St. Germain begann der Anfang vom Ende der deutschsprachigen Besiedelung, die nach dem zweiten Weltkrieg in der Vertreibung von fast drei Millionen Menschen aus ihrer Heimat gipfelte. Mit der Errichtung des Eisernen Vorhangs wurden die diskriminierenden Maßnahmen von den Kommunisten fortgesetzt. Erst seit der Wiedererrichtung der Demokratie 1989 hat sich die Situation für die deutschsprachige Minderheit verbessert. Regisseur Wolfgang Winkler beschreibt in der Dokumentation die Folgen der Grenzziehungen von 1919, die für Land und Leute einschneidende und dramatische Konsequenzen hatten.