In memoriam Karel Schwarzenberg
Mein Vater, der Fürst
Karl Schwarzenberg ist Erbprinz eines der ältesten und reichsten Adelsgeschlechter, Großgrundbesitzer, ehemaliger Spitzenpolitiker – und überzeugter Europäer bis in die letzte Faser seiner Existenz mit staunenswerter Weitsicht. Gleich zu Beginn des Films wird das mit dem Ausschnitt aus einer Rede Schwarzenbergs aus dem Jahr 2014 zur Lage der Ukraine anlässlich der russischen Annexion der Krim offenbar – prophetischer, mit erschreckenden Parallelen zur heutigen Situation, hätte sie nicht ausfallen können. Doch es geht Filmemacherin Lila Schwarzenberg in ihrem mit Co-Regisseur Lukas Sturm geschaffenen Porträt gar nicht so sehr um den politischen Kopf und aristokratischen Revolutionär, sondern um eine Vater-Tochter-Beziehung, stellvertretend für viele. Da werden alte Wunden freigelegt und der Versuch unternommen, Lücken zu schließen. Denn Vater Karl wie Tochter Lila Schwarzenberg sind einander ebenso vertraut wie sie einander fremd sind.
„Er ist ein Vater, vor dem ich als Kind immer Angst gehabt habe“, sagt Lila Schwarzenberg in dem Film. Erst mit etwa 30 Jahren, als sie selbst Kinder hatte, habe sich diese Angst gelegt. Es ist wohl auch kein Leichtes, Tochter eines mit so viel Macht und Einfluss ausgestatteten Mannes zu sein – zumal wenn man der von Männern dominierten Familientradition in der Hocharistokratie keine Sympathien entgegenbringt bzw. sich von ihr distanzieren will. Und da wären noch die Schicksalsschläge, die sich in die DNA der Familienmitglieder eingeschrieben haben.
Karl Schwarzenberg wurde 1937 in Prag geboren. Als das kommunistische Regime die damalige Tschechoslowakei übernimmt, die Familie enteignet und vertreibt, muss er als Kind nach Österreich emigrieren – es sollte das traumatischste Ereignis in seinem Leben bleiben. In seinen Zwanzigern wird er von seinem Onkel, dem Familienoberhaupt, adoptiert und übernimmt die Verantwortung über die Besitztümer in Deutschland und Österreich. 1989, nach der Samtenen Revolution in der ČSSR, leitet Karl Schwarzenberg an der Seite von Vaclav Havel die Geschicke in dem neuen Staat und wird schließlich Außenminister der Tschechischen Republik. So ist Lila Schwarzenbergs Doku ein Film über einen häufig abwesenden Vater und eine Tochter, die um eine eigene Existenz ringt.
Eigentlich wollte Lila Schwarzenberg ein klassisches Porträt über ihren Vater gestalten. Es ist dann doch anders gekommen: Sie landet vor der Kamera, wird neben Karl Schwarzenberg zur zweiten Protagonistin – und spart auch ihre eigene Biografie nicht aus. Sie geht nach London, studiert Film in New York, arbeitet als Journalistin und Regisseurin. Und sie gleitet – in eine längst überwundene – Drogensucht ab. Über einen Zeitraum von fünf Jahren hat sie ihren Vater begleitet und zu Interviews getroffen – oder vielmehr zu Gesprächen, die zuvor nicht möglich schienen.
Es gebe schon Menschen, mit denen er intim sei und sich vollkommen wohl fühle, sagt Lila Schwarzenberg. „Aber gehörst du dazu?“ fragt der Co-Regisseur. Ihre Antwort: ein klares Nein. Das mag sich mit der Arbeit an dem Film geändert haben. Klar wird, dass Karl Schwarzenberg auch mit 85 Jahren stets eine klare Agenda hat, denn: „Man ist nicht dazu da, glücklich zu sein“.