Universum History

Kinder des Chaos - Die Ausgestoßenen der Nachkriegszeit

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Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs waren zwölf Millionen Kinder in Europa auf sich allein gestellt – entführt, elternlos, zurückgelassen, verlorengegangen. Viele erhielten zwangsweise eine neue Identität und Staatsbürgerschaft. Viele kamen in Waisen- oder Kinderheime, erfuhren Gewalt, Missbrauch und Hoffnungslosigkeit. Viele wurden zur Umerziehung Adoptiveltern überantwortet. Fast 80 Jahre später stellen sich einige überlebende Betroffene ihren Traumata.

ORF/© Elephant Adventures/Vertigo/Kwassa/Lutetia Arabians/CANAL+ Poland/RTBF - 2022
Im Bild: Tausende Mütter haben Verzichtserklärungen zugunsten des französischen Staates unterzeichnet.

 Das traurige Schicksal

In der berührenden „Universum History“-Dokumentation „Kinder des Chaos – Die Ausgestoßenen der Nachkriegszeit“ von Agnès Pizzini und Julien Johan (ORF-Bearbeitung: Judith Brandner) erzählen am Freitag, dem 23. September, um 22.35 Uhr in ORF 2 Kinder aus Deutschland, Frankreich und Österreich ihre Lebensgeschichten. Ein Mosaik aus Berichten von Zeitzeuginnen und Zeitzeugen, Erinnerungen von Ärztinnen und Ärzten sowie Helferinnen und Helfern, aus Archivmaterial und aufwendig gedrehten Spielszenen lässt das traurige Schicksal dieser Kinder des Krieges lebendig werden. Vor dem Hintergrund des heutigen Krieges in Europa bekommen die Geschichten eine schreckliche aktuelle Relevanz.

ORF/© Elephant Adventures/Vertigo/Kwassa/Lutetia Arabians/CANAL+ Poland/RTBF - 2022
Im Bild: Tausende Babys werden aus Kinderkrippen, Waisenhäusern, Kinderheimen für den französischen Staat requiriert.

Wenn Kinder zur Kriegsbeute von Staaten werden

1945, nach der Kapitulation Nazi-Deutschlands, lagen weite Teile Europas in Schutt und Asche. Der Krieg hatte Millionen Menschen das Leben gekostet, Familien zerstört. Die Deportationen, ethnischen Säuberungen, die Zwangsarbeit, das Morden und die Bombardierungen waren der Hintergrund, weshalb so viele Kinder wie nie zuvor von ihren Eltern getrennt wurden. Es gab Hunderttausende Waisenkinder, verlorene Kinder, Kinder, die zurückgelassen worden waren und die sich selbst irgendwie durchschlagen mussten. Übriggeblieben waren auch Kinder aus den „Lebensborn“-Heimen, einer Einrichtung der Nationalsozialisten, deren Ziel es war, auf der Basis der nationalsozialistischen Rassenhygiene und Gesundheitsideologie die Geburtenziffer „arischer“ Kinder zu erhöhen. Viele Kinder wurden zur Kriegsbeute von Staaten, die nach dem hohen Blutzoll des Krieges mit ihnen ihre Bevölkerungszahlen sanieren wollten.

 

ORF/© Elephant Adventures/Vertigo/Kwassa/Lutetia Arabians/CANAL+ Poland/RTBF - 2022
Im Bild: Sébastien Driesbach findet heraus, dass er in Wirklichkeit Hans-Peter Springmann ist, Sohn einer deutschen Mutter und eines französischen Soldaten

Wer waren Ihre Eltern?

Auch nach dem Ende des Krieges hielt der Kriegszustand für diese verlassenen Kinder noch Jahre lang an. Eine Selektion setzte ein: Manche wurden herausgepickt, Adoptiveltern überantwortet, in Heime gesteckt. Die Ungewollten waren einem Überlebenskampf ausgesetzt, der für sie erneut die Hölle auf Erden bedeutete. In jahrelanger mühsamer Sisyphusarbeit recherchierten viele ihre wahre Herkunft. Viele wissen heute noch immer nicht, wer ihre Eltern waren und was mit ihnen passiert ist. Die Rückkehr zu Frieden und Stabilität in Europa hat die Geschichte der ausgebeuteten und gestohlenen Kinder lange Zeit verschleiert.

Bearbeitung

Judith Brandner