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Unser Österreich: Tirol - Geteilte Heimat

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Die Grenzziehung am Brenner, der Verlust Südtirols und die Abtrennung Osttirols vom verbliebenen Landesteil.

Die „Schandgrenze“ sorgte für innenpolitischen und außenpolitischen „Zündstoff“ – in den 1960er Jahren sogar wortwörtlich. Die Auseinandersetzung mit der Einheit Tirols führte aber auch zu neuen Impulsen. Wirtschaftlich wurden die Grenzen – pionierhaft durch die Landeshauptleute Wallnöfer und Magnago – überwunden. Resultat ist die heutige Europaregion Tirol. „Unser Österreich: Tirol – Geteilte Heimat“ erzählt diese wechselvolle Geschichte um 23.20 Uhr am Beispiel einer Familie in Innsbruck, die ihre Wurzeln in Südtirol hat.

Fotocredit: ORF/Interspot Film/Bernhard Freindemetz
Im Bild: Familie Molling und die Darsteller der Spielszenen Julia Rosa Stöckl, Klaudius Molling, Herlinde Molling, Dominika Nordholm, Rene Rebeiz (v.l.n.r.).

Die Heimwehr

Urgroßvater Alois Molling war als ehemaliger Offizier der k. u. k. Armee Mitglied der österreichisch-italienischen Grenzziehungskommission 1919 und engagierte sich bei der Heimwehr gegen den aufkommenden Nationalsozialismus. Großmutter Herlinde Molling – und ihr Mann Klaudius – unterstützten seit den späten 1950er Jahren den „Befreiungsausschuss Südtirol“ bei Sprengstoffanschlägen. Sogar als Schwangere schmuggelte sie Sprengstoff über die Grenze – eine Tatsache, mit der ihre Tochter Dominika, mittlerweile selbst Mutter, bis heute hadert und sich die Frage stellt, ob eine Landesteilung die Gefährdung des eigenen Lebens und das seines ungeborenen Kindes wert ist. Für die junge Generation, die in einem Europa ohne Grenzbalken aufgewachsen ist, stellt sich die Frage, ob hinter dem Brenner ein anderer Staat beginnt, gar nicht.

 

ORF/Interspot Film/Ferdinand Cibulka
Im Bild: Regisseur Mag. Georg Laich und Historiker Dr. Michael Forcher.

Dramatische Wendejahre in der österreichischen Geschichte

Der zeitliche Bogen spannt sich von 1918 bis heute. In diesen 100 Jahren wird die Frage von Zugehörigkeit in kurzen Abständen mehrfach gestellt. 1918, 1938, 1945, 1955, 1995 – die dramatischen Wendejahre in der Geschichte Österreichs liefern die Eckpunkte. Ob Abwehrkampf im Süden gegen Italien oder das SHS-Königreich, ob im Norden die Bestrebung, die langjährigen Zugehörigkeit zu Bayern fortzusetzen – die Transformation der Kronländer der Habsburger-Monarchie in die Republik Österreich löst eine Identitätskrise aus, die die Jahrzehnte bis zum sogenannten „Anschluss“ prägen – eine Gesellschaft zerrissen zwischen Rückbesinnung auf alte und Finden von neuen Identitäten. Mit der erneuten Katastrophe eines Weltkriegs werden 1945 die Fragen der Grenzziehung wieder gestellt – ob am Brenner oder an den Karawanken, ob an der Thaya oder an der Enns. Nicht nur die Grenzen von 1918 sind wieder ein Thema, sondern auch die Grenzen der Besatzungszonen, die mitten durch einige Bundesländer gehen. Sogar die Gefahr einer Teilung mitten durch Österreich besteht im Kalten Krieg. Erst der Staatsvertrag eint als Stiftungsereignis die Republik und ihre Bundesländer. Die Position der Länder bleibt durch das föderalistische Prinzip bis heute stark – ein Erbe der Geschichte. Es ist Gegengewicht zum Zentralismus des Bundes.

ORF/Interspot Film/Sammlung Familie Mollin
Im Bild: Alois Molling bei der Arbeit als 1919 Mitglied einer österreichisch-italienischen Grenzkommission, die die Bestimmungen von St. Gernain umsetzen mußte.

Der Spagat zwischen Vergangenheit und Gegenwart

Mit dem Ende des Eisernen Vorhangs und dem Schengener Abkommen beginnt eine Ära, in der Grenzen keine Bedeutung zu haben scheinen – der Nationalstaat ist am Rückzug vor einem geeinten Europa. Einige der alten Kultur- und Wirtschaftsräume (Waldviertel und Südböhmen, Innviertel und Niederbayern, Nord- und Südtirol) werden dadurch wiedergeeint. Staatenübergreifende Kooperationen werden gefördert wie etwa zwischen Kärnten und Friaul, Burgenland und Ungarn. Fast scheint es, als könnten die alten Kronländer Paten dafür sein. Doch das Europa der Regionen ist bisher nur eine Vision, vor allem, wenn es um politische Partizipation in der EU geht. So stellt sich die Frage der Zugehörigkeit wieder und nach wie vor – ein Spagat zwischen Vergangenheit und Gegenwart.

 

„Unser Österreich: Tirol – Geteilte Heimat“ ist eine Produktion der Interspot Film für den ORF, gefördert von BMBF, Zukunftsfonds der Republik Österreich, Cine Tirol und Land Tirol. Die Dokumentation und weitere Ausgaben aus der „Universum History“-Reihe können auch auf Flimmit (flimmit.at) gestreamt werden.

Gestaltung

Georg Laich