Universum

Wildnis 2.0 - Die Tierwelt auf Umwegen

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Rehe auf endlos weiten Agrarflächen im Schatten gigantischer Windräder. Gämsen als Hindernisläufer zwischen Tonnen von Stahl im hochalpinen Lawinenschutz. Füchse auf Mäusejagd am Rande der Flughafenlandbahn. Rebhühner, die Brachland hinter einem Einkaufszentrum als Balzarena für sich entdeckt haben.

Diese und viele andere Wildtiere haben gelernt sich anzupassen, ändern ihr Verhalten und tun alles, um mit dem ständigen Wandel in unseren Breiten Schritt zu halten. Neue Freiräume, geschaffen von Naturschützern zum Ausgleich moderner Bauvorhaben, sollen dabei helfen und werden auch von seltenen Tierarten dankbar angenommen.

Die Natur als Anpassungskünstlerin

Die neue „Universum“-Produktion „Wildnis 2.0 – Die Tierwelt auf Umwegen“ zeigt in der ebenso beeindruckenden wie eindringlichen Bildsprache von Regisseur und Kameramann Patrick Centurioni Tiere auf der Suche nach Nahrungsangebot und Lebensraum – in einer sich ständig verändernden Natur.

Wie auch der Bartgeier, eine Art, die über einhundert Jahre lang in den Alpen ausgerottet war und nun dank aufwändiger Wiederansiedlungsprojekte zurückgekehrt ist.

Der Kopf eines Bartgeiers im Profil. Kopf und Hals sind rostrot gefiedert. Borstenartige schwarze Federn hängen über den Schnabel - sie haben dem Bartgeier seinen Namen gegeben. Die Augen sind von einem roten Ring eingefasst, die Iris ist gelb.
ORF/Centurioni Images/Patrick Centurioni
Im 19. Jahrhundert wurde der Bartgeier in den Alpen ausgerottet - zahlreiche Schauergeschichten zeichneten den Aasfresser als Lämmerdieb und sogar Kindsmörder.

Im vergangenen Jahrhundert hat der Mensch die Erdoberfläche nach seinen Vorstellungen und Bedürfnissen sichtbar und im großen Stil umgestaltet.

„Anders als bei ‚Urban Wildlife'-Dokumentationen richten wir mit diesem Film den Blick nicht auf die Stadt, sondern auf die ländlichen Lebensräume“, erklärt Regisseur und Kameramann Patrick Centurioni, der sich dieser polarisierenden Thematik im Spannungsfeld von Wildnis und Zivilisation angenommen hat. „Dabei liegt mein Fokus auf hochgradig transformierten Landschaftsabschnitten, die grafisch und abstrakt erscheinen.“   

Tiefe, regelmäßige parallele Furchen geben dem Acker ein grafisches Erscheinungsbild. Ein einzelner Fasan steht auf dem Erdboden.
ORF/Centurioni Images/Patrick Centurioni
Ein Fasan auf einem frisch bestellten Acker. Die Hühnervögel wurden ursprünglich vor allem zu Jagdzwecken eingebürgert.

Naturschutz kann auch in einer modernen Welt erfolgreich umgesetzt werden. Für Filmemacher Centurioni ist klar: „Wird ein klarer Plan verfolgt, können ökologisch wertvolle und naturnahe Flächen auch in Landschaften eingebettet werden, die vom Menschen drastisch verändert wurden.“ Als Beispiele hierfür zeigt er wertvolle Ersatzbiotope wie Ausgleichsflächen entlang von Bahnstrecken und Autobahnen sowie rund um Wind- und Solarparks.

Grüne Wiesen in einem Tal, links der regulierte Inn. In der Mitte verlaufen Bahngleise. Rechts von den Gleisen eine künstlich angelegte Aulandschaft.
ORF/Centurioni Images/Patrick Centurioni
Ausgleichsflächen entlang der Zuggleise als wertvoller Auwaldersatz

Korridore verbinden diese Habitate miteinander, um eine möglichst ungehinderte Wanderung von Individuen zu gewährleisten. Einst aufgelassene Industriestandorte wie die Becken einer Zuckerfabrik im Osten Österreichs wurden zu Quelllebensräumen für seltene Arten umgestaltet – Ersatzlebensräume, die überraschend gut angenommen werden.

Gratwanderung zwischen Fortschritt und Naturschutz

Im Osten Österreichs nehmen dank stetem Einsatz von Naturschützern auch die Populationen von Seeadler und Kaiseradler wieder zu. Die Großtrappe, der schwerste europäische flugfähige Vogel, stand kurz vor der Ausrottung, doch durch die aufwändige Verlegung von Stromleitungen in den Boden wurde eine Erfolgsgeschichte im Artenschutz geschrieben.

Centurioni ist mit seiner Kamera nah dran an den Tieren und ermöglicht es damit, deren Alltag und Hürden besser zu verstehen.

„Das Spannendste und Herausforderndste für mich war es, Themen herauszuarbeiten, die ein Verhalten beschreiben, das die Anpassung von Tieren an diese neue Welt illustriert“, erinnert sich Centurioni an die Dreharbeiten.

Der Rotfußfalke ist somit ein spektakulärer Hauptdarsteller. Erstmals sieht man Superzeitlupen- Aufnahmen von Rotfußfalken, die Großinsekten jagen und bei Nahrungsknappheit nach Alternativen suchen: Nämlich nach Regenwürmern. „Dass es mir gelungen ist, dieses Tierverhalten zu drehen, macht mich doch ein klein wenig stolz – man darf nicht vergessen, die Falken sind Hochgeschwindigskeitsflieger“, erzählt der Naturfilmer.

Nicht minder verblüffend sind Szenen, die zeigen, wie anpassungsfähig Natur sein kann, wenn alle notwendigen Parameter stimmen. So wird eine kleine, vergessene Brachfläche zwischen Straßen und einem Einkaufszentrum zu einem unverhofften Refugium für Rebhühner. Patrick Centurioni ist selbst immer wieder überrascht: „Man glaubt nicht, mit wie wenig Tiere auskommen können – es braucht oft nur ein Stück bewirtschafteter Fläche, eine Oase zwischendrin, und die Tierwelt kann sich ungestört vermehren und sich zumindest im Kleinen ausbreiten.“

Patrick Centurioni und sein Team verbrachten mehr als 90 Drehtage in Österreich, Deutschland, Italien und Rumänien, um die ebenso faszinierende wie nachdenklich stimmende Geschichte von „Wildnis 2.0“ zum Leben zu erwecken.

Eine Koproduktion von ORF, ARTE GEIE, NDR Doclights und Centurioni Images mit Unterstützung der ORF Enterprise.

Regie

Patrick Centurioni