In zwei Teilen:

Universum

Namibias Naturwunder (1) - Leben am Limit

Werbung Werbung schließen

An Namibias Westküste trifft der Atlantik auf ein Meer aus Sand: die Namib, eine der außergewöhnlichsten Wüsten unseres Planeten.

Temperaturspitzen jenseits der 50 Grad Celsius, jahrelang anhaltende Dürren und immer wiederkehrende Sandstürme machen sie zu einem mehr als unwirtlichen Ort. Aber selbst an diesem „leeren Platz“, wie Einheimische das Gebiet nennen, findet die Natur Wege, um Tieren und Pflanzen das Leben zu ermöglichen. Ihr Geheimnis? Nebel an rund 200 Tagen im Jahr! Die erste Folge des neuen „Universum“-Zweiteilers über „Namibias Naturwunder“ von Jens Westphalen und Thoralf Grospitz (ORF Bearbeitung: Wolfgang Stickler) führt in eine Welt hochspezialisierter Wüstenbewohner, die eines gemeinsam haben: das Rüstzeug für ein „Leben am Limit“. Teil 2 folgt am Dienstag, dem 27. Februar, um 20.15 Uhr in ORF 2.

Die Wüste lebt

Die Namib ist uralt und von atemberaubender Schönheit. Seit mehr als 15 Millionen Jahren treiben Passatwinde unaufhörlich Sand über eine Fläche so groß wie Österreich und türmen ihn zu bis zu 400 Meter hohen Dünen auf.

Eine rote Sanddüne, die eine Hälfte liegt im Licht, die andere im Schatten. Der geschwungene Kamm erzeugt so eine markante grafische Form. Der Himmel ist strahlend blau.
ORF/Zorillafilm/Jens Westphalen/Thoralf Grospitz
Im Sossusvlei gibt es die weltweit größten Dünen mit Höhen von bis zu 400 m. Das Vlei selbst ist eine Lehm-Senke, die von Dünen umstanden ist, die sich dort schon vor fünf Millionen Jahren gebildet haben. Die rote Farbe des Sandes stammt von eingelagertem Eisenoxid.

Sonneneinstrahlung und unterschiedliche Bodenbeschaffenheiten zaubern ein ewig wechselndes Farbenspiel in die sanft gewellte Landschaft. Sie ist Lebensraum für mehr als 300 Tier- und Pflanzenarten. Etwa die Hälfte davon gibt es nur hier: Unter den extremen Bedingungen, die über lange Zeiträume hinweg stabil blieben, entwickelten sie einzigartige und faszinierende Adaptionen.

Ein Beispiel dafür ist die Welwitschie, eine trockenresistente Pflanze, die nur zwei Laubblätter ausbildet, aber mit einem riesigen Wurzelgeflecht Feuchtigkeitsreste aus dem Boden saugt. So wird sie zum Durstlöscher für zahlreiche Arten – etwa Wanzen, die auf ihren Nektar spezialisiert sind.

Ein Spießbock mit den typischen langen, spitzen Hörnern, schwarzen Markierungen an den Flanken und der schwarz-weißen Gesichtsmaske. Er schreitet nach links gewendet über roten Sand.
ORF/Zorillafilm/Jens Westphalen/Thoralf Grospitz
Kaum ein Lebewesen ist so gut an Hitze und Trockenheit angepasst wie der Spießbock aus der Gattung der Oryxantilopen. Er kann seine Körpertemperatur auf bis zu 45 Grad Celsius ansteigen lassen, ohne dabei Schaden zu nehmen und schafft es wochenlang, ohne Trinkwasser auskommen. Aus aus dürren Wüstenpflanzen bezieht er alles, was er braucht.

Auch Oryxantilopen naschen gerne an ihr. Die Großmeister der Anpassung benötigen kein Trinkwasser, sondern decken ihren Flüssigkeitsbedarf fast ausschließlich über Nahrung ab. Gegen die Hitze hilft ihnen Fieber. Sie sind in der Lage, ihre Körpertemperatur auf über 40 Grad zu steigern. Wüsteneidechsen gehen in der Hitze tanzen. Um sich die Pfoten auf der Glut des Sandbodens nicht zu verbrennen, wechseln sie ständig von einem Bein aufs andere und strecken Finger und Zehen zur Abkühlung in die Luft. Die wechselwarmen Namibvipern vermeiden Überhitzung, indem sie sich im Sand vergraben und tagelang darauf warten, bis sich Beute in ihre Reichweite verirrt. Und wie entgehen Straußenküken der sengenden Sonne? Sie verschanzen sich im Schatten der Mutter – dem sie immer nachlaufen müssen.

Ein junger und ein erwachsener Elefant gehen hintereinander über eine Düne.
ORF/Zorillafilm/Jens Westphalen/Thoralf Grospitz
Elefanten in der Wüste, das ist sehr ungewöhnlich, aber möglich. Ca. 150 dieser Wüstenelefanten gibt es in Namibia. Überleben können sie nur dank ihrer Fähigkeit, Situationen richtig einzuschätzen und immer wieder rechtzeitig Wasser und Nahrung zu finden.

Elefanten meiden in der Regel Wüsten, nicht aber in der Namib. Hier lebt eine kleine Population, die tägliche Gewaltmärsche von bis zu 70 Kilometern unternimmt, um die wenigen offenen Grundwasserstellen zu erreichen. Ihr sprichwörtlich gutes Elefantengedächtnis darf sie dabei nicht verlassen. Anders als ihre Verwandten in Steppen und Savannen können sie mehrere Tage überleben, ohne zu trinken.

Zeit der Fülle

Die Namib hat auch ein zweites Gesicht: Wasser und Nahrung im Überfluss. Wenn Regen fällt, verwandelt sich das Ödland in einen blühenden Garten Eden, in dem Tiere und Pflanzen ihre ausgelaugten Reserven wieder auffüllen können. Leider vertrocknet das grüne Wunder im Handumdrehen, und für die Wüstenbewohner beginnt von Neuem eine lange Durststrecke.

Eine grüne Ebene, im Hintergrund eine Bergkette. Der Himmel ist strahlend blau mit weißen Wolken.
ORF/Zorillafilm/Jens Westphalen/Thoralf Grospitz
Die Namib, eine Wüstenlandschaft, die nach heftigen Regenfällen plötzlich grün wird. In der Vegetation zeigen sich dann besonders deutlich Feenkreise, die von im Boden lebenden Termiten erzeugt werden.

Wie der Regen bringt auch eine Meeresströmung Leben in die Trockenheit. Der Benguelastrom transportiert kaltes, nährstoffreiches Wasser aus der Antarktis an die 2.000 Kilometer lange Küste Namibias und sorgt für großen Fischreichtum. Davon angelockt, kommen Scharen von Südafrikanischen Seebären, um an den Stränden ihren Nachwuchs zu gebären. Aber die Namib bleibt auch hier unerbittlich: Die Robbenbabys sind der Hitze schutzlos ausgeliefert und werden zur leichten Beute von Schabrackenhyänen. Diese sind eigentlich Aasfresser, haben aber angesichts der dicht gedrängten Robbenkolonien ihr Ernährungsprogramm umgestellt und sind zu Jägern mutiert.

Auf den küstennahen Dünenkämmen sind am frühen Morgen eigenartige Gymnastikübungen zu beobachten. Schwarzkäfer stemmen sich im Handstand aufsteigenden Nebelschwaden entgegen. Kostbares Nass sammelt sich auf ihrem Körper und rinnt über Rillen im Panzer kopfüber in ihren Mund – es ist fast wie im Schlaraffenland. Auch dafür ist der Benguelastrom verantwortlich: Durch seine Abkühlung kondensiert die Meeresluft und überzieht die Wüste mit lebensspendenden feuchten Schleiern. Sie sind die Quelle für die einzigartigen Ökosysteme, die es hier gibt. Wissenschafter:innen befürchten allerdings, dass der Klimawandel all diese fein ziselierten Prozesse zum Erliegen bringen könnte – mit unabsehbaren Folgen für das Naturjuwel der Namib.