'ORF Initiative MUTTER ERDE: Klima und Ernährung'

Universum

Einsatz am Great Barrier Reef

Werbung Werbung schließen

Sie sind wahre „Gärten des Poseidon“ – ein Lebensraum für unzählige Tierarten, dessen hohe Biodiversität für das stabile Gleichgewicht der Ozeane unerlässlich ist.

Korallenriffe zählen zu den wichtigsten Ökosystemen der Erde. Doch die Unterwasserparadiese sind durch die Erderwärmung extrem gefährdet. Besonders betroffen ist das Great Barrier Reef vor der Küste Australiens – mit einer Länge von 2.300 Kilometern das weltweit größte Korallenriff. Studien zufolge hat dieses UNESCO-Weltnaturerbe bereits rund die Hälfte seiner ursprünglichen Ausdehnung verloren. Die neue „Universum“-Folge „Einsatz am Great Barriere Reef“ von John Jackson (ORF-Bearbeitung: Wolfgang Stickler) dokumentiert die Anstrengungen, mit denen sich Wissenschafter/innen dem dramatischen Korallensterben entgegenstemmen. Es ist ein Kampf David gegen Goliath – innovative Lösungsansätze geben jedoch Anlass zur Hoffnung.

Insel als Labor

Im Mittelpunkt des Films steht die nur 30 Hektar große Koralleninsel Raine Island. Sie ist der weltweit größte Nistplatz für die Grüne Meeresschildkröte. Außergewöhnliche Bilder zeigen die Schwerarbeit, die Zehntausende Schildkrötenweibchen verrichten, um geeignete Plätze für die Eiablage zu finden. Die Wissenschafter/innen wählten diese Umgebung als Freiluft-Labor, um die Wirksamkeit ihrer Methoden zu testen. Ihr vielversprechender Plan sieht eine enge Kooperation zwischen Mensch und Tier vor. So zeichnet das Team beispielsweise mittels Satellitennavigation die Bewegungsmuster von Buckelwalen und Walhaien auf, um über deren Fressverhalten die intakten Teile des Riffs zu erkennen.

Zwei Taucher unter Wasser befestigen sechseckige, gitterförmige Stahlkonstruktionen am Korallenriff.
ORF/Les Gens Bien Productions
Die Lücken am Riff werden mit einem Netz aus sandbeschichteten Stahlkonstruktionen aufgefüllt, an denen Korallenstücke befestigt werden

Durch die Verpflanzung von rund 300.000 Korallenstücken aus diesen Gebieten konnten bereits einige der degenerierten Flächen erfolgreich „wiederbelebt“ werden. Die Rückkehr großer Raubtiere wie etwa des Napoleon-Lippfisches beweist das Gelingen des ambitionierten Experiments.

Bereitschaftsdienst am Riff

Ein vitales Riff lebt von der Symbiose zwischen Korallen und speziellen Algen. Steigen die Wassertemperaturen, wird diese Verbindung toxisch und schwächt die Korallen, bis sie absterben – ein Vorgang, der als Korallenbleiche bekannt ist. In diesem Stadium kommt es zum Massenauftreten von Dornenkronenseesternen, die sich von den Algen ernähren und damit den Prozess noch zusätzlich beschleunigen. Taucher/innen injizieren Schwefelsalzlösungen, um die Korallen für die Invasoren ungenießbar zu machen. Eine Sisyphusarbeit, die sich derzeit nicht auf größere Regionen ausweiten lässt. Welch eine gigantische Herausforderung die Erhaltung eines komplexen Ökosystems bedeutet, zeigt ein anderes Beispiel. Die Erderwärmung heizt die Wetterextreme des El Niño an und setzt die kleine Raine Insel verstärkt Wirbelstürmen und damit der Erosion aus – eine Katastrophe für die Schildkröten. Um ihnen die Eiablage zu ermöglichen, werden Tonnen von Sand auf die Insel gebracht und Zäune errichtet, um sie zu geeigneten Nistplätzen zu leiten.

Eine Meeresschildkröte klettert über Felsen, sie liegt mit dem Bauch auf, der Kopf weist nach unten. Zwischen den Felsen ist Sand. Den Hintergrund bildet das Meer.
ORF/Les Gens Bien Productions
Raine-Island: Eine Grüne Meeresschildkröte macht sich auf den beschwerlichen Weg zum Strand

Gleichzeitig schützen umfangreiche Maßnahmen die Brutplätze von rund 80 zum Teil stark gefährdeten Vogelarten – unter ihnen der Südtrinidad-Sturmvogel oder der Rotschwanz-Tropikvogel. Für sie bieten die Tausenden frisch geschlüpften Schildkröten ein reiches Nahrungsangebot für die Aufzucht ihrer eigenen Jungen. Die Erhaltung dieses natürlichen Gleichgewichts setzt ausgewogene Maßnahmen voraus. Das wissenschaftliche Team ist daher bestrebt, bei der Sanierung der Lebensräume möglichst wenig in die natürlichen Prozesse einzugreifen und sie nur schonend zu modifizieren.

Die „assistierte Evolution“ kommt bei einem spektakulären Ereignis zum Einsatz: In den Nächten rund um den Novembervollmond „spucken“ die Korallenstöcke Myriaden von Ei- und Samenzellen aus, die wie Schleierwolken zur Wasseroberfläche aufsteigen und sich dort rasch zu kleinen Larven entwickeln. Eine willkommene Proteinquelle für die Planktonfresser. Um die Verluste zu minimieren, setzen die Biologinnen und Biologen auf künstliche Befruchtung in riesigen Anlagen. Sie überwachen die Larvenstadien und bestimmen den besten Zeitpunkt, um die Korallenbabys wieder am Meeresboden zu implantieren. Diese Aufgabe übernehmen Hightech-Tauchroboter.

Eine Koralle mit kraterförmigen Einbuchtungen die intensiv grün und blau leuchtet.
ORF/Les Gens Bien Productions
Eine fluoreszierende Koralle am Great Barrier Reef. Das Leuchten dient manchen Korallen als Sonnenschutz. Anderen hilft es, die geringe Lichtmenge in der Tiefe optimal zu nutzen.

„Einsatz am Great Barriere Reef“ dokumentiert die aufwendigen Methoden, mit denen die moderne Wissenschaft den Folgen des Klimawandels begegnet, mit bewegenden Bildern und Szenen. Sie zeigen auf eindrückliche Weise, dass die erfolgreichen Experimente nur ein Tropfen auf dem heißen Stein sind. Viele weitere Untersuchungen sind nötig, um die komplexen Zusammenhänge in den Korallenriffen zu verstehen und realisierbare Maßnahmen zu entwickeln. Immerhin – ein Anfang ist gemacht.