Universum
Zugvögel - Ein Jahr vergeht im Flug
Vogelpopulationen sind an jedem Tag des Jahres in Bewegung. Sie folgen ihrer Nahrung, sind auf der Suche nach sicheren Schlafplätzen und flüchten vor bedrohlichem Wetter. Manche überqueren Kontinente, nur um an besonderen Orten ihre Federn zu wechseln und andere vollbringen physiologische Wunder, wenn sie Tausende Kilometer ohne Pause zurücklegen und nach einem Jahr auf Reisen wieder punktgenau an ihr Ziel finden.
Die neue „Universum“-Dokumentation „Zugvögel – Ein Jahr vergeht im Flug“ von Mario Kreuzer und Leander Khil beleuchtet das faszinierende Phänomen von einer ganz neuen Seite. „Zugvögel“ porträtiert Vogelarten, die im Lauf des Jahres einen wichtigen Knotenpunkt des internationalen Vogelflugverkehrs besuchen oder ihn klimabedingt überhaupt nicht mehr verlassen – den Neusiedler See. Rotfußfalke, Brandgans und Kampfläufer sind die Hauptdarsteller der aufwendig gedrehten Produktion. Basis des Films bilden die Zugwege einzelner Tiere, die von Vogelforschern mit GPS-Sendern markiert wurden. Noch nie konnten die Routen von Zugvögeln in solcher Exaktheit im Fernsehen gezeigt werden. Der Film entstand als Koproduktion von ORF, NDR doclights, ARTE und PKM Film in Zusammenarbeit mit ORF Enterprise, gefördert von der Carinthian Filmcommission und dem Land Burgenland.
Faszinierende Fähigkeiten
Ornithologe und Drehbuchautor Leander Khil forscht selbst an einem der Protagonisten. Zum weltweit ersten Mal gelang es ihm während der Dreharbeiten, durchziehende Kampfläufer im Burgenland mit Sendern zu bestücken und ihre Zugwege bis in die arktischen Brutgebiete zu verfolgen. „Die ersten Ergebnisse waren erstaunlich. Einer der Vögel flog 1.200 Kilometer nonstop – und das in einer einzigen Nacht“, schwärmt Khil.
Neben atemberaubenden Bildern wollen die Filmemacher dem Publikum aber auch Neues und Wissenswertes über die Natur vermitteln. Etwa, dass sich das Wunder des Vogelzugs keineswegs nur auf Frühling und Herbst beschränkt. Für Leander Khil ein besonders wichtiger Aspekt: „Viele Menschen haben ein falsches Bild vom Vogelzug. Vögel wandern nicht nur zweimal im Jahr, sondern jeden Tag. Viele ziehen eigentlich ständig und pausieren nur kurz um zu brüten oder zu rasten.“
Vögel pendeln aber auch nicht einfach zwischen Nord und Süd. Der Vogelzug hat unendlich viele Facetten: Brandgänse fliegen im Sommer aus Österreich 1.000 Kilometer Richtung Norden, nur um an einem entlegenen Ort im deutschen Wattenmeer ihre Federn zu wechseln. Der Bergpieper hingegen ist ein Vertikalzieher – von den Tälern auf den Dobratsch in Kärnten und bei Wintereinbruch wieder hinab. Eine typische Bewohnerin des Neusiedler Sees, die Graugans, wandert hingegen kaum noch. Während die Gänse vor 30 Jahren noch überwiegend nach Nordafrika flogen, um dort zu überwintern, bleiben sie jetzt in Österreich. Die milden Winter des sich ändernden Klimas machen dies möglich.
Um die Herrscher der Lüfte und ihre besonderen Verhaltensweisen einzufangen, kam modernste Technik zum Einsatz. „Um die höchstmögliche Vergrößerung zu erreichen, wurde ein Teleskop für unsere Filmaufnahmen adaptiert“, sagt Regisseur und Kameramann Mario Kreuzer.
Internationale Drehorte
Gedreht wurde im Burgenland und in Kärnten sowie an internationalen Stationen im Jahreslauf der Zugvögel. Die Tundra Norwegens, das deutsche Wattenmeer, die Puszta Ostungarns und die Lagune von Venedig dienten dem Film als große Bühne. „In der endlosen Savanne Namibias suchten wir unter Nashörnern und Leoparden die kleinen Rotfußfalken – und fanden sie. Im Frühling ziehen sie mehr als 15.000 Kilometer nordwärts, um am Neusiedler See zu brüten“, erinnert sich Mario Kreuzer an den schwierigsten Auslandsdreh.
Mehr als zwei Jahre filmte das Team, überwiegend während der Corona-Pandemie. Als Reiseeinschränkungen die Dreharbeiten in anderen Ländern erschwerten, war die Arbeit im burgenländischen Seewinkel problemlos möglich.
Fragiles Gleichgewicht
Viele Vogelarten sind vom Aussterben bedroht. Welche Gefahr dabei dem Verschwinden von Lebensräumen zukommt, zeigt der Film anhand der europaweit wichtigen Lacken im Seewinkel. Die flachen, salzhaltigen Gewässer drohen für immer zu verschwinden. „Die Landwirtschaft verbraucht zu viel Grundwasser, es fällt zu wenig Niederschlag und Schutzmaßnahmen fehlen oder greifen nicht. Dem Seewinkel als Vogelparadies droht das Ende“, so Khil. Als Vogellebensraum werden die Lacken immer weniger attraktiv. Seltene Brutvogelarten, die es nur hier in Österreich gibt, stehen an der Kippe. Unzählige Gastvögel wie die Kampfläufer, die auf ihren Reisen zwischen Sibirien und Afrika hier Station machen, verlieren ihr wichtigstes Rastgebiet.