3. und letzter Teil:

Universum

Der ungezähmte Planet (3): Patagonien

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Eine Welt der Überlebenskünstler in einer der rauesten ungezähmten Regionen der Welt.

Der von Justine Allan gestaltete dritte Teil des neuen BBC-Dreiteilers „Der ungezähmte Planet“, der im Juni auf dem „Universum“-Programm steht und die entlegensten Winkel und letzten Paradiese Amerikas präsentiert, führt in den südlichsten Teil des amerikanischen Kontinents – nach „Patagonien“ (ORF-Bearbeitung: Doris Hochmayr): Diese eigentümliche Region ist bestimmt von rauen Hochebenen und schroff abfallenden Gebirgszügen, versteckten Tälern und Wind durchfluteter Pampa. Sie umfasst weite Teile von Chile und Argentinien. Durchzogen von den Anden und beiderseits eingeschlossen vom Ozean hat Patagonien ganz spezielle Habitate hervorgebracht. Hier gedeihen Küstenregenwälder im Westen, Trockenheit und starke Winde bestimmen die endlosen Ebenen im Osten. Wenig Niederschlag und winterliche Eiseskälte sind ständige Begleiter all jener Tierarten, die hier ein abgelegenes Zuhause gefunden haben. Pumas, Hasenmäuse und Andenkondore besiedeln die pittoresken Bergkulissen, rosa Flamingos waten durch kristallgrüne Salzlagunen, Pudus – winzige Hirsche – äsen in küstennahen Regenwäldern, während See-Elefanten und Magellanpinguine in den fischreichen Gewässern fischen.

 

Nordwestlich grenzt Patagonien an die Ausläufer der Atacama-Wüste. Hier, in einer unwirtlich erscheinenden Mondlandschaft inmitten schneebedeckter Gipfel, schlemmen Flamingos in den Salzlagunen. Sie filtern Algen und kleine Krustentiere aus dem kristallgrünen Gewässer. Auch der Nachwuchs wandert in großen Gruppen durch den seichten See.

Vier Flamingos stehen in der flachen Lagune, ihre Spiegelbilder verdoppeln sie auf der Wasseroberfläche.
ORF/BBC/Tom Ross
Flamingos ernähren sich in den hochgelegenen Lagunen von Salinenkrebsen

Die Jungen haben nur drei Monate Zeit, um genügend Reserven für den langen Flug Richtung Südpatagonien zu sammeln. Im April sinken die Temperaturen nachts auf unter minus zehn Grad. Die Oberflächen der Salzseen frieren ein. Wer jetzt noch nicht aufgestiegen ist, hat wenig Chancen, dem rasch herannahenden Winter zu entkommen. Das Eis umschließt die Beine der Jungvögel, salzige Eiskrusten beschweren das Gefieder. Mit jedem Tag wird es schwieriger, die Eisschicht zumindest tagsüber zu durchbrechen, um ein wenig Futter zu sammeln. Retter in der Not sind spezielle saisonale Winde. Wer noch genug Kraft hat, spreizt die Flügel – und lässt sich von den Aufwinden aus dem Eiswasser heben.

Richtung Süden erreichen die Gipfel der Anden mehr als 4.000 Meter Höhe. Die atemberaubende Steinlandschaft ist Heimat eines kleinen flinken Nagers – des Bergviscachas, auch Hasenmaus genannt. Die kaninchengroßen Pflanzenfresser gehören zur Familie der Chinchillas. Sie sind geschickte Höhlenbaumeister und trotz ihrer kurzen Beine äußerst wendige Kletterer in schwindelnder Höhe. Das ausgiebige Sonnenbad mehrmals pro Tag ist weniger Luxus als Lebensretter. Nur so ist die durchdringende Kälte an den Berghängen gut zu ertragen. Doch das Dösen in der Sonne kann böse Folgen haben. Die Andenkatze ist auf die Jagd nach Bergviscachas spezialisiert. Die lautlosen Jäger sind etwas größer als eine Hauskatze und bestens getarnt. Ihr Bestand wird laut IUCN mittlerweile auf weniger als 2.500 erwachsene Exemplare geschätzt.

Eine Andenkatze mit gemustertem Fell und gestreiften Schwanz duckt sich auf einem Schneefeld. Im Hintergrund massive Felswände.
ORF/BBC
Ein seltener Blick auf eine der am stärksten bedrohten Wildkatzen der Welt, die Andenkatze

Von den Felsvorsprüngen der Steilhänge starten die wohl imposantesten rezenten Aasfresser: die Andenkondore. Sie gleiten Richtung Osten, um in den Hochebenen nach Fressbarem Ausschau zu halten. Das raue Klima lässt nur noch wenig Vegetation zu. Gräser und kleinwüchsige Büsche geben keine Möglichkeit zur Deckung. Dafür aber genügend Kalorien für die Guanakos, einem Verwandten des Kamels. In größeren Herden durchforsten sie das raue Land auf der Suche nach den besten Weidegründen. Sie decken ihren Flüssigkeitsbedarf fast ausschließlich durch ergatterte Gräser und Blätter. Die Ahnen der domestizierten Lamas haben nur einen ernstzunehmenden Feind: den Puma. Obwohl ein ausgewachsenes Guanako fast dreimal so groß ist wie er selbst, hat er einen besonderen Trumpf im Spiel – die Kunst der Überraschung. Die Reste seiner erlegten Beute sind Abendmahl für die Kondore, die umgehend zur Landung ansetzen.

 

Weiter südlich durchbrechen blaue Süßwasserseen die trockenen Hochebenen. Diese einsamen Wasserinseln sind weltweit die einzige Heimstätte für den Goldscheiteltaucher. Er ernährt sich von Schlammschnecken und Flohkrebsen, in der warmen Jahreszeit bieten Fluginsekten knapp über der Wasseroberfläche eine willkommene Abwechslung. Bekannt ist diese Art vor allem für ihr besonderes Balzverhalten – die Partner vollführen synchrone Tauch- und Schwimmbewegungen, die selbst das Neujahrskonzertballett in den Schatten stellen könnten. Westlich der Anden, auf chilenischem Territorium, zeigt sich Patagonien von einer ganz anderen Seite. Hier gedeihen temporäre Regenwälder. Unter dem dichten Laubdach äsen Pudus, die kleinsten Hirsche der Welt, kaum größer als ein Feldhase. Smaragdgrüne Chile-Kolibris sammeln den Nektar aus feuerroten Fuchsien-Blüten. Nachts klettern Chiloé-Beutelratten durchs Geäst. Die kleinen Insektenjäger passen gerade einmal in eine menschliche Handfläche. Trotz ihrer kurzen Beine turnen sie leichtfüßig in den Baumkronen und verbringen in gesamtes Leben hoch über dem Waldboden.

Wo der Wald an die Küste trifft, können die Temperaturen in der warmen Jahreszeit um die 20 Plusgrade erreichen. Für die fettgepolsterten See-Elefanten eindeutig zu heiß. Sie nützen die Schatten spendenden Baumkronen, um darunter zu dösen, bevor sie wieder ins kalte Meer zurückkehren, um nach Fischen zu jagen.

 Am südlichsten Ende Patagoniens erstrecken sich die größten Eisfelder der Südhemisphäre außerhalb der Antartkis. Hier wandern Gletscher in Fjorden von den Bergmassiven Richtung Küste. Es sind Relikte der letzten Eiszeit, die noch vor 18.000 Jahren die Südanden komplett unter sich begraben hielten. Heute zählen die kilometerlangen Eiszungen zu den am raschesten wandernden Gletschern der Welt. Die Klimaerwärmung verändert die Eislandschaft mit jedem Tag. Ihre Existenz hat Einfluss auf das regionale Klima, an das all die seltenen Tierarten Patagoniens bestmöglich angepasst sind. Das Schmelzwasser gibt Nährstoffe ins Meer frei, die den Artenreichtum unter Wasser in Gang halten.

Magellan-Pinguine stehen dicht gedrängt auf einem Kiesstrand.
ORF/BBC/Justine Allan
Magellan-Pinguine drängen sich an der Küste von Monte Leon, Argentinien

Tausende Magellanpinguine haben hier ein paradiesisches Zuhause. Je rascher die Gletscher schmelzen, desto mehr gerät die Nährstoffzusammensetzung der Küstengewässer aus der Balance. Die Folge ist ein Domino-Effekt, der unaufhaltsam die gesamte Küstenregion Patagoniens verändern wird. Mit ungewissem Ausgang für die einzigartigen Lebensräume im Hinterland.

Gestaltung

Steve Cole

Bearbeitung

Doris Hochmayr