2. Teil:

Universum

Der ungezähmte Planet (2): Galapagos

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Mitten im Pazifik, mehr als 1000 Kilometer westlich von Südamerika, liegt der Galapagos-Archipel. Er entstand vor Millionen von Jahren durch heftige Vulkanausbrüche. Kaum an einem anderen Ort der Erde gibt es so viele endemische Arten wie dort.

Der Galapagos-Archipel liegt mitten im Pazifik, mehr als 1.000 Kilometer westlich von Südamerika. Die 120 Inseln am Äquator boten jenen Tieren und Pflanzen, die es durch Stürme und Meeresströmungen hierher verschlagen hatte, Lebensräume ohne Nahrungskonkurrenz. An kaum einem anderen Ort der Erde gibt es heute noch so viele endemische Arten wie hier. Riesenschildkröten mit Panzerlängen von 1,2 Metern schlemmen sich durch die üppige Vegetation, Meerechsen tauchen in der wilden Brandung nach Algen, kleinwüchsige Pinguine schützen sich in bizarren Vulkanhöhlen vor der kräftigen Mittagssonne und zierliche Finken entpuppen sich als gefürchtete „Vampire“ -  ein illustrer Garten Eden der besonderen Art in einer der letzten ungezähmten Regionen dieses Planeten…

Gefährliche Nahrungssuche


Wenn die Morgensonne auf die schroffen Steinküsten der kleinen Pazifikinsel Fernandina fällt, strecken tausende anthrazitgraue Leguane ihre Körper den wärmenden Strahlen entgegen – die Galapagos-Meerechsen machen sich bereit für ein ausgiebiges Mahl unter Wasser.  Sie müssen gut durchwärmt sein, denn der Ozean hier hat dank der kalten Humboldt-Strömung kaum mehr als 17 Grad. Es ist eine gefährliche Nahrungssuche für ein Reptil, das kaum mehr als 20 Minuten Zeit hat, um satt zu werden, bevor die sinkende Körpertemperatur die nötigen Kräfte für den Landgang raubt. Und der ist auf den Galapagos-Inseln alles andere als einfach. Starke Winde treiben die Wellen auf vier Meter Höhe, die Gegenströmungen unter Wasser ziehen die taumelnden Echsen immer wieder ins offene Meer hinaus. Bei der stürmischen Brandung nicht an die Felsen zu krachen, ist ein weiteres Kunststück, das sich die versierten Taucher in diesem eigentümlichen Lebensraum aneignen mussten. Spezielle Drüsen helfen, das überschüssige Salz zu sammeln und durch kräftiges Niesen auszuscheiden. Die Absonderungen ziehen eine Menge Fliegen an.  Plagegeister, gegen die sich die Echse nicht so recht wehren kann. Dafür gibt es eine effiziente Abhilfe: kleine Lava-Eidechsen turnen auf den Leguanen, um diese Fliegen zu fangen. Eine Kooperation, die beiden zugutekommt.

Ein Meeresleguan krallt sich mit seinen Vorderbeinen an einen Felsen. Seine Haut und die poröse Struktur des Felsens ähneln sich stark, er ist sicher gut getarnt.
ORF/BBC/Jo Haley
Meeresleguane vergraben ihre Eier in tiefen Löchern

Nicht nur die tägliche Nahrungsaufnahme, auch die Eiablage ist für die Meerechsen eine gefährliche Angelegenheit. Die Leguane vergraben ihre Eier in etwa 60 Zentimeter tiefen Löchern, die sie in Sandbuchten ausheben. Die versteckten Orte sind auch dem Galapagos-Bussard bekannt.

Diese gefährdete Raubvogelart ist auf dem Archipel endemisch. Die etwa 60 Zentimeter großen Bussarde haben hier keine natürlichen Feinde und sind deshalb auf all jenen Inseln bedroht, die mittlerweile vom Menschen bewohnt sind. Dort sind sie ungern gesehene Gäste in Hühnerställen und leichte Beute für wachsame Haushunde.

Auf Fernandina jedoch haben sie die Oberhand. Geduldig warten die Bussarde, bis die Leguan-Weibchen erschöpft von der Eiablage ihren Rückweg antreten. Er führt meist über eine sandige Ebene, die kaum Schutz durch Sträucher oder Felsen bietet. Die Heimkehr zur Leguan-Kolonie wird so zum Wettlauf gegen den Tod. Verfolgte Meerechsen haben gegen die wendigen Bussarde kaum Chancen. Was sie rettet, ist ihre große Zahl. Während die Bussarde ihre Opfer ins Visier nehmen, laufen die anderen Artgenossinnen auf schnellstem Wege zu den schützenden Höhlen ihrer heimatlichen schwarzen Felsen.

Eines der wenigen Säugetiere, dessen Vorfahren es bereits vor ca. zwei Millionen Jahren auf die Galapagos-Inseln geschafft hat, ist der Seelöwe. Ausgedehnte Kolonien bevölkern die Sandstrände. Nährstoffreiche Tiefenströmungen machen den Ozean rund um die Inselkette besonders fruchtbar. Der Reichtum an Meeresfrüchten und Fischen ist überbordend. Doch viele der lohnenswerten Beutefische sind wendige Schwimmer, zu flink für die Seelöwen. Deshalb haben sie eine ganz besondere Fangtechnik entwickelt, die nur hier auf Galapagos zu beobachten ist: in großen Teams treiben die Seelöwen Schwärme von Stachelmakrelen Richtung Küste in kleine Buchten. Hier warten bereits die Pelikane, sodass es für die panischen Fische kein Entrinnen mehr gibt. Diese Form der Jagdgemeinschaft ist einzigartig.

Zwei Seelöwen am Strand bei Sonnenuntergang. Einer liegt schlafend im Sand, der andere sitzt an ihn gelehnt und reckt die Schnauze hoch - die Sonne liegt genau an seinem Kinn. Am Horizont ist eine Insel erkennbar.
ORF/BBC
Die Galapagos-Seelöwen haben ihre ganz eigene Fangtechnik entwickelt

An der nördlichsten Spitze des Archipels liegt Wolf-Island. Im Gewässer rundum stürzen kleinere Vogelgruppen aus 30 Meter Höhe in die kühlen Tiefen des Ozeans. Die Nazca-Tölpel sind gerade beim Fischen. Sie nisten zu Tausenden auf der vom Menschen unbewohnten Insel – und trotzdem ist sie ein gefährlicher Ort. Hier treiben Vampir-Finken ihr Unwesen. In Ermangelung an anderen passenden Nahrungsquellen haben sich diese kleinen Vögel auf den Aderlass spezialisiert. Sie tyrannisieren die nistenden Tölpel so lange, bis sie ihre kostbare Brut verlassen und von den Klippen flüchten. Die kleinen Finken machen sich sogleich über die Eier her, jedes größer als sie selbst. Abgestützt auf ihrem Schnabel schieben die Vögel das Ei mit den Beinen zu größeren Steinen, um sie dort zerschellen zu lassen. Gemeinschaftlich verspeisen sie das Eiweiß und den Dotter, wertvolle Zusatzkost für die kleinen Blutsauger.

Auf den grünen Hängen und höher gelegenen Ebenen der mehr als 1500 Meter hohen Vulkane auf Santa Cruz versammeln sich Riesenschildkröten zum gemütlichen Verdauungsschläfchen um kleine schlammige Wasserstellen. Die etwa einen Meter langen Panzer der vorwiegend hier dösenden Männchen ragen wie Felsen aus dem Tümpel.

Riesenschildkröten liegen in einem schlammigen Tümpel,  im Hintergrund grün bewachsene Berghänge und blauer Himmel mit einigen Wolken.
ORF/BBC
Galápagos-Riesenschildkröten halten ein Verdauungsschläfchen

So manches Weibchen hat deutlich beschwerlichere Stunden vor sich. Es wandert bis zu drei Wochen lang in die Niederungen, um dort im sonnengewärmten Sand ihre Eier abzulegen. Von den 120 Inseln sind mittlerweile fünf auch vom Menschen besiedelt. Die Insel Santa Cruz ist eine davon und hat sich innerhalb der letzten 150 Jahre völlig verändert. Zäune, Mauern und Straßen verwandelten die seit Jahrtausenden genützten Schildkröten-Routen zu einem gefährlichen Spießroutenlauf – Haustiere wie Katzen, Ratten und Hunde haben ihr Zusätzliches beigetragen, um den Bestand dieser besonderen Spezies um mehr als 80 Prozent zu minimieren. Heute gibt es ausgedehnte Schutzzonen um die Nistplätze dieser einzigartigen Landschildkröten. Aber auch viele andere Lebensräume, die diese Inseln zu bieten haben, sind Verbotszone für Mensch und Haustier – fast 90 Prozent der kleinen Landmassen im Pazifik sind Schutzgebiet. Trotzdem sind immer noch mehr als die Hälfte aller endemischen Tier-  und ein Fünftel aller Pflanzenarten vom Aussterben bedroht: mit den Handelsgütern der Menschen kamen neue Sämlinge, Insektenlarven, Bakterienarten und Krankheitserreger im einstigen abgeschiedenen Paradies an. Eine Gefahr, gegen die eines der letzten ungezähmten Gebiete der Erde nur schwer die richtige Gegenwehr finden kann.

Audiodeskription gefördert von VGR GmbH

Regie: Joe Haley

Gestaltung

Steve Cole

Bearbeitung

Doris Hochmayr