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Universum

Der ungezähmte Planet (1): Alaska

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Weite Gebiete sind hier noch tatsächliche Wildnis, kaum vom Menschen betreten.

Der größte Bundesstaat der USA ist gleichzeitig auch die größte Exklave der Welt – Alaska, am  nordwestlichen Ende des amerikanischen Kontinents gelegen, ist geprägt von harten, dunklen Wintern und einer kurzen, äußerst lebendigen Sommersaison. Der Beiname „Last frontier“ (letzte Grenze) kommt nicht von ungefähr. Grizzlys streifen an den Flussufern umher, um Lachse aus dem glasklaren Wasser zu fischen, während die Totengräberkäfer eifrig Tonnen an Fisch im Boden vergraben, den die Bären überall hinterlassen. Flughörnchen segeln durch das Geäst in den haushohen, dichten Wäldern, Elche suchen in kleinen Teichen an warmen Julitagen nach Abkühlung. An den Küsten jagen Stellarsche Seelöwen in dichten Fischschwärmen, Grauwale sieben Tonnen an Krill aus dem kalten Gewässer und Weißkopfseeadler kämpfen um die besten Beutestücke. Eines der letzten wilden Paradiese der Erde – das durch Klimawandel und Verschmutzung zunehmend in Bedrängnis gerät…

Wenn die Sonne zaghaft den dichten Schneepanzer von den Wäldern und Wiesen Alaskas abschmilzt, hat der nördlichste Bundesstaat der USA einen monatelangen dunklen Winter hinter sich gebracht. Untrügliches Zeichen des Frühlingsbeginns sind tiefe Spuren im weichen Schnee – die Grizzlys sind aus ihren Schlafhöhlen gekrochen und wandern Richtung Küste, um Nahrung zu suchen. Weibchen haben meist zwei Jungtiere im Schlepptau. Ihr Weg führt Richtung Küste, hier gibt es noch eiweißreiche Nahrung zu holen: Muscheln. Für die kleinen Bären ist es ein langer Weg, die richtige Technik zu erlernen, um die Schale zum Bersten zu bringen, ohne die Muschel zu zerquetschen. Wer den Leckerbissen haben will, muss selbst die „Tatze“ anlegen, denn die Mutter, ausgehungert vom Winter, teilt ihre Muscheln nur selten.

Eine Bärin mit zwei Jungen, sie waten im flachen Wasser. Bildhintergrund: Ufer mit Pflanzen, Gischt.
ORF/BBC
Bärenmutter mit Jungen.

Noch vor wenigen Jahrhunderten lagen weite Gebiete unter einer ganzjährlich geschlossenen Eisdecke. Heute sind sie teilweise von Pflanzen bewachsen. Doch der Boden besitzt vielerorts wenig Nährstoffe. Die hohen Bäume überleben hier dank einer Symbiose mit speziellen Pilzen, die wiederum einen besonderen Trick auf Lager haben, um im Wald verteilt zu werden: sie verströmen denselben Geruch wie ein empfängnisbereites Flughörnchen. Allerorts graben ihre männlichen Artgenossen im dichten Moos, um die vermeintliche Partnerin zu finden. Was zum Vorschein tritt, ist ein Leckerbissen der anderen Art – ein kleiner Pilz, der gerne verspeist wird.

Doch auch die schlechten Fressgewohnheiten der Bären tun ihr Übriges, um den Wald, der ihnen Schutz bietet, gesund zu erhalten: entlang der Flussufer scheinen die Bäume besonders gut zu gedeihen. Das liegt an ihrem speziellen Dünger – Lachs. Grizzlys fressen mit Vorliebe nur die nahrhaften Köpfe der Pazifischen Lachse, die hier die Wasserwege zu ihren Laichplätzen flussaufwärts ziehen. Der Rest bleibt unverdaut am Waldboden zurück. Das ist die Stunde des Totengräbers. Dieser Käfer benötigt Aas, um seine Brut groß zu bekommen. Die Käferpärchen zerteilen die Lachskadaver und graben sie mehrere Dezimeter in den weichen Grund ein. In der unterirdischen Höhle werden die Eier abgelegt. Sobald die Larven schlüpfen, ist ein Übermaß an Nahrung zur Verfügung, das die jungen Käferlarven kaum auffressen können. Der große Rest des Aases zerfällt in der Erde schlummernd und gibt Nährstoffe frei – den die Bäume aufnehmen können.

Im Herbst starten die ersten Zugvögel wieder Richtung Süden. Zu dieser Zeit durchdringen tiefe Röhr-Rufe die sonst stillen Wälder und Wiesen. Die Elche sind auf Brautschau. Jungelche haben kaum Chancen auf Paarung, die alteingesessenen Bullen verteidigen ihre Harems mit äußerster Schärfe. Doch wer gewitzt ist, kommt zum Zug. Elchbullen graben kleine Gruben, in die sie urinieren. Die enthaltenen Duftstoffe machen selbst das standhafteste Weibchen schwach. Junge Elchbullen haben diesen Zusammenhang rasch erkannt: sie baden sich in den „duftenden“ Hinterlassenschaften des Platz-Elchs – und erhöhen so schlagartig ihre „Möglichkeiten“.

Ein Elch mit mächtigen Geweihschaufeln von unten fotografiert. Im Vordergrund bis zu seiner Brust trockene Gräser, hinter ihm Nadelbäume und eine Felswand.
ORF/BBC/Shane Moore
Elchbulle

Wenn der erste Schnee wieder alles Nahrhafte unter sich begräbt, beginnt die Zeit des Hungers für die hartgesottene Tierwelt Alaskas. Wer kann, hält Winterruhe. Der Rest begibt sich auf eine tägliche beschwerliche Wanderschaft, um irgendwie satt zu werden. Elche nagen an trockenen Rinden, die Weißkopfseeadler kämpfen erbittert um die wenigen Fischreste an den Flussläufen und Küsten.

Ein Weißkopfseeadler sitzt mit dem Rücken zur Kamera auf einem schneebedeckten Ast, sein Profil mit dem markanten gelben Schnabel ist gut zu erkennen. Im Hintergrund kahle Bäume.
ORF/BBC/Libby Prins
Weißkopfseeadler

Die Kreisläufe der Natur im harschen Land am nördlichen Polarkreis sind noch intakt. Doch der Mensch mit seiner energiereichen Lebensweise rückt unaufhaltbar näher: die Zahl der ziehenden Lachse wird Jahr für Jahr geringer, Wälder werden gerodet, die allumfassende Verschmutzung des Planeten und der Klimawandel rütteln unaufhörlich an den bisher soliden Grundpfeilern eines funktionierenden Ökosystems. Das ungezähmte Paradies Alaska strebt einer ungewissen Zukunft entgegen.

Regie: Emma Fraser

Audiodeskription gefördert von VGR GmbH

Gestaltung

Steve Cole

Bearbeitung

Doris Hochmayr