Thema Spezial
Jugendkriminalität: Chronik eines kollektiven Versagens
Jugendkriminalität: Chronik eines kollektiven Versagens
Messerstechereien, Drogengeschäfte, Raubüberfälle, sexuelle Übergriffe, Jugendliche, die mit Eisenstangen aufeinander losgehen. Zu sehen auf den Überwachungskameras des Musiklokals „Flex“ am Wiener Donaukanal. „Für uns ist es unzumutbar geworden. Jeder Samstag ist ein Pulverfass, wir wissen nicht, wie der Abend ausgehen wird“, klagt der Betreiber Thomas Eller. Seit Jahren tyrannisieren Drogenbanden, deren Mitglieder fast ausschließlich Migrationshintergrund haben, die Gäste des Lokals. Die Polizei patrouilliert, doch die Dealer kommen immer wieder. Dies ist ein Beispiel für ein Problem, das seit Monaten die Öffentlichkeit beschäftigt: Jugendkriminalität.
Im zehnten Wiener Gemeindebezirk Favoriten gehen jugendliche Migranten mit Messern aufeinander los, nachdem ihre Ehre beleidigt worden ist. Teils selbst noch strafunmündige Kinder und Jugendliche sollen ein 12-jähriges Mädchen über Monate sexuell missbraucht haben. In Meidling fallen bei Auseinandersetzungen zwischen Tschetschenen, Syrern und Afghanen Schüsse. Es gibt mehrere Schwerverletzte. Die Polizei gründet daraufhin im März die „Einsatzgruppe zur Bekämpfung der Jugendkriminalität“. Waffenverbotszonen werden eingerichtet. In Wien und anderen Städten macht sich dennoch ein Gefühl von Unsicherheit breit. Drei abgesagte Taylor-Swift-Konzerte wegen mutmaßlicher Anschlagspläne passen ins Bild. Ein religiös radikalisierter Jugendlicher mit nordmazedonischem Hintergrund ist deshalb seither in Untersuchungshaft.
Im Vergleich zu vor zehn Jahren sind die Verurteilungen bei Angriffen gegen Leib und Leben oder bei Körperverletzung um mehr als 20 Prozent gesunken. Allerdings sind die Zahlen der Straftaten, die von Tätern begangen werden, die keine österreichischen Staatsbürger sind, hoch. Diese Gruppe verübt fast die Hälfte aller Straftaten. Das belegen die Statistiken des Justizministeriums sowie der Statistik Austria. Hilflose Lehrerinnen und Lehrer, ein überfordertes Bildungssystem, Sozialarbeiter, die darum kämpfen, patriarchale Rollenstrukturen aufzubrechen. Sie stehen Jugendlichen gegenüber, die für sich keine Chancen sehen. Weder in der Schule noch am Arbeitsmarkt. Aus Frustration driften viele von ihnen in die Kriminalität ab.
Wer sind diese jungen Menschen und wie sieht ihre Lebensrealität aus? Welche Verantwortung tragen sie selbst und welche Staat und Gesellschaft? Christoph Feurstein und Oliver Rubenthaler sind diesen Fragen in einem THEMA Spezial nachgegangen.