Seeing Voices
Das junge Elternpaar Hager sitzt mit seinem Baby bei einer medizinischen Untersuchung. Das Hörvermögen des kleinen Emil wird getestet. Das Ergebnis ist negativ. Die Eltern sind gefasst. Sie sind selbst beide gehörlos. Die ältere Tochter kann normal hören. Ein Miteinander und eine Verbindung zweier Welten - der Hörenden und der Gehörlosen - ist vorgezeichnet.
Ob und wie das auch in der Gesellschaft funktionieren kann, das versucht der Dokumentarfilm von Darius Kowalski aufzuzeigen. Denn die 24-jährige Ayse hat keineswegs nur gute Erfahrungen gemacht. Lehrer wurden handgreiflich und haben ihr Selbstbewusstsein sozusagen „weggeschlagen“, wenn Ayse sie nicht richtig verstand. Die Gebärdensprache war verpönt und wurde in ihrer Schule verboten.
Nun ist Ayse (Bild Mitte) voll Scham und Angst, nicht gut genug kommunizieren zu können, wenn sie ihr Praktikum beginnt. In einer Jugendgruppe lernt sie langsam, sich zu akzeptieren. Und siehe da, ihre neuen Kolleginnen lassen sich begeistert ein paar Gebärden vorführen – und haben Respekt vor Ayses Sprache.
Helene Jarmer (45) verlor nach einem Unfall mit zwei Jahren ihr Gehör. Sie erinnert sich nur noch dunkel an die Orgelmusik in der Kirche. Im Parlament setzt sie sich als Abgeordnete für mehr Beachtung der Bedürfnisse von Gehörlosen ein. Die Akademikerin kämpft für die gesellschaftliche Einsicht, dass Gehörlose nicht dumm, sondern in ihren Bildungschancen stark benachteiligt sind. Mit ihrer hörenden Tochter gebärdet sie - diese wächst also zweisprachig auf, ein Startvorteil, wie für andere Kinder auch.
So sieht es auch Familie Hager. Selbst wenn Emil schließlich ein Cochlea-Implantat erhält, mit dem er hören kann, so lange er es trägt, wollen seine Eltern, dass er seine Identität als Gehörloser nie verleugnen muss.
Dariusz Kowalski verzichtet in seinem Film auf gesprochenen Kommentar. Stattdessen setzt er Ausdruckskraft und Magie der in atemberaubender Geschwindigkeit gesprochenen Gebärden in Szene und verdeutlicht damit die ganz eigene Kultur der Gehörlosen, deren Welt sich eben visuell und nicht akustisch erschließt.
Alle Gebärden werden untertitelt, ebenso wie auch alle Stimmen und Geräusche. Ein Plädoyer für gegenseitiges Verstehen beider Welten und Kulturen.
In Zusammenarbeit mit dem ORF aus Mitteln des Film/Fernseh-Abkommens, hergestellt.
Regie
Dariusz Kowalski