kulturMontag Zum 80. Geb. v. Robert Schindel am 4.4.2024:

Schreiben gegen die Angst – Robert Schindel im Porträt

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Sich selbst bezeichnet Robert Schindel immer wieder gern als ‚wienerisch-jüdischen Schriftsteller‘: Wien, hier vor allem die Leopoldstadt, ist für ihn zentraler Schreib- und Lebensort. Wien, die Stadt, in der er als Kind kommunistischer und deportierter Eltern versteckt überlebt hat. Er schreibt: „Seit meinem vierten Lebensmonat lebe ich in dieser Stadt an der Donau und an der Wien und habe das Lachen von der Pike auf gelernt. Das erste Gelächter, das mir entgegenschoss, beinhaltete die Geschichte vom Judenbalg, den findige Kinderschwestern inmitten der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt vor den Zugriffen der Gestapo versteckten.“   

Robert Schindel in seiner Wohnung
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In seiner Wohnung im Zweiten Wiener Gemeindebezirk, in der er seit Jahrzenten lebt, nimmt das Porträt dieses großen österreichischen Autors seinen Anfang: an den Wänden seiner Wohnung lässt sich seine Familiengeschichte nachvollziehen: nicht zuletzt hängen dort Fotografien seiner Mutter, die Auschwitz überlebt hat und ihren Sohn dann wieder in Wien gefunden hat – sein Vater wurde in Dachau ermordet. Über seine Mutter schreibt Robert Schindel: „Die junge Frau ist nicht nur ein Untermensch gewesen, sie ist zusätzlich eine Kommunistin geblieben". So durchläuft Robert Schindel die Kinder- und Jugendorganisationen der Kommunistischen Partei, schreibt als Volksschulkind einen Brief an den kränkelnden Stalin, viel später, nachdem er auch noch Maoist gewesen ist, wird er sich schließlich ganz fürs Renegatentum entscheiden.

Robert Schindel in seiner Volksschule in Wien
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Mit Robert Schindel gehen Regisseurinnen Katja Gasser und Imogena Doderer auf Spurensuche: besuchen unter anderem die Jesuitenwiese, wo man ihm, der als Kind gern und gut Fußball gespielt hat, ‚Hoppauf, Herr Jud!‘ nachgebrüllt hat, statten seiner Volkschule einen Besuch ab, in der er eine ‚nazistische Volksschullehrerin‘ hatte, „die es liebte, mit dem Lineal auf Fingerspitzen zu schlagen“. Darüber hinaus machen wir Station im Cafe Havelka, das Robert Schindel, der Unterschiedliches studiert hat, als seine ‚wirkliche Universität' bezeichnet hat. Und einige andere wichtige Lebensstationen mehr nehmen wir gemeinsam mit ihm in Augenschein, erinnern uns und lesen in seinen Texten.

Robert Schindel im Cafe Havelka
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Wie eng Literatur und Leben zusammenwirken: wie wenig das eine vom anderen zu trennen ist und wie sehr zugleich doch das eine vom anderen unterschieden werden muss: das wird der Film zu zeigen versuchen. Dass Angst und Schreiben in seinem Fall eng miteinander verwoben sind, das hebt Robert Schindel immer wieder hervor. In seinem Roman ‚Gebürtig‘ ist zu lesen: „Wenn ich Angst hab‘ schreib ich‘s auf“, sagt er. Dann ist die Angst im Wort und springt von dort den Leser an, und ich gehe am Donaukanal entlang, und vergnügt bin ich wieder geworden.“

Notizbücher von Robert Schindel
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Ohne die Angst, die mit dem ‚großen Judenschmerz‘ (Heinrich Heine) unauflösbar zusammenhängt, wäre Robert Schindel wohl kein Schriftsteller geworden. Dass er einer geworden ist, ist ein Glück für die deutschsprachige Literatur – von diesem Glück, das in einem großen Unglück wurzelt, wird dieser Film erzählen.

Regie
Katja Gasser
Imogena Doderer

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