
Österreichs Originale:
Die Kleinkunstprinzessin und der Klangakrobat
Sie sind Österreichs Originale. Regisseurin Jennifer Rezny stellt in ihrer Doku-Reihe Menschen einander gegenüber, die aus dem Raster dessen fallen, was landläufig als „normal“ bezeichnet wird. Menschen, die von Leidenschaft und der Lust an der Grenzüberschreitung getrieben sind. Eine neue Folge ist das Doppelporträt zweier Männer, in dem aber auch eine Dame eine gewichtige Rolle spielt.

Der Grazer Schauspieler Patrick Weber erlebt den Rausch der Verwandlung berufsbedingt immer und immer wieder: als Drag Queen Grazia Patricia, die Kleinkunst mit großer Pose vereint, kommt er dem Publikum und sich selbst ganz nah.

Der Wiener Hans Tschiritsch lässt Klänge zu Poesie gerinnen und beweist, dass Alltagsgegenständen ein besonderer Zauber innewohnen kann. Er baut in akkurater Heimarbeit Instrumente mit so klingenden Namen wie Zwitscheridoo und Trompetuum mobile.

„Ich bin ein komischer Typ, ein Außenseiter“, sagt Hans Tschiritsch von sich selbst. Was kokett klingen mag, ist tatsächlich eine Zustandsbeschreibung, die Freiräume schafft, um Konventionen zu sprengen. Diese sind dem Musiker nämlich zutiefst zuwider. Das konservative Milieu und der rigide Ton in seinem Gymnasium lassen ihn bald Reißaus nehmen. Im Berliner Hippie-Milieu verdingt sich der Schulabbrecher als Straßenmusiker und Stelzengeher. Er zieht weiter, in Spanien wird er zum Strippenzieher. Die von ihm geschaffenen Marionetten sind Flamencotänzerinnen, mit denen er den Einheimischen die eigene Kultur näherbringen will.

Zurück in Wien beginnt er, Instrumente zu erfinden. Ein wenig wie ein Helikopter mutet sein Dröhnrad an. Wenn er in die Pedale tritt, setzt er einen Rotor in Gang, der entstehende Luftwirbel wird zu Musik und Tschiritsch hebt auf den Schwingen seiner Fantasie ab.

Beeindruckend sind auch seine Klanginstallationen. Bei seiner Komposition Tropfen des Seins fallen Wassertropfen aus mehreren Metern Höhe in unterschiedlich große Behälter und erzeugen so einen faszinierenden Klangteppich.

Es ist der entscheidende Moment, der den Alltag aushebelt und alles verändert, wenn auch nur einen Bühnenauftritt lang: wenn sich Patrick Weber die Blondhaarperücke aufsetzt und er sich in die glamouröse Grazia Patricia verwandelt. In glitzernder Robe und in High Heels spürt er sich so, wie er wirklich ist.

Drag, das ist für ihn ein Schutzpanzer, der ihm Superkräfte verleiht. Schon als Kind war der Drang zur Rampe übermächtig - wenn er sich vor dem Spiegel in Pose warf und die Rundbürste als imaginäres Mikrofon herhalten musste. Nach Jobs als Statist landet er bei Elfriede Ott in deren Schauspielschule. Das war der Beginn seines Weges zu einer zweiten Identität, die seine eigentlich stärkte.

Das professionelle Rollenspiel sei übrigens viel mehr als leichte Unterhaltung. Drag, das sei auch ein politisches Statement: die Aufforderung, nicht in Schwarzweiß zu denken, das andere zu akzeptieren, mutig zu sein und Mut zu machen.
Links:
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