Menschen & Mächte

Im Häfen

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Der Strafvollzug gehört zu jenen politischen Bereichen mit dem man in der Öffentlichkeit und in der Wählergunst nicht unbedingt punkten kann.

Hochsicherheitsgefängnis Graz-Karlau
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Hochsicherheitsgefängnis Graz-Karlau

Ein sogenanntes „Randgruppenthema“

Dementsprechend marginalisiert ist der öffentliche Diskurs darüber. Ein Fehler, denn letztlich entscheidet die Qualität des Vollzuges über Resozialisierungs-Erfolg und den Grad der öffentlichen Sicherheit. Und da ist Reformbedarf angesagt. Denn schon seit Jahren stellt die hohe bei etwa 50% gelegene Rückfallquote bei entlassenen Straftätern der Effizienz des Strafvollzuges nicht gerade das beste Zeugnis aus. Und so ist „nach der Haft“ oft gleich wieder „vor der Haft“.

Häftling in der Zelle.
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Häftling in der Zelle.

„Kuschelzellen“

Vor allem bei langen Strafen können im Laufe der Haft soziale Bindungen zu Ehefrauen, Freundinnen, Kinder und Bekannten wegbrechen, daran haben auch die 2006 eingeführten „Kuschelzellen“ alias Langzeitbesucherräume wenig geändert. „Das schlimmste an der Haft ist, dass ich nicht bei Familie sein kann“, meint ein Insasse des Hochsicherheitsgefängnisses Karlau in Graz. Doch die Aufrechterhaltung sozialer Beziehungen nach außen ist einer der wichtigsten Indikatoren für reduzierte Rückfälligkeit. Eine der bekanntesten Gnadenakte bezüglich vorzeitiger Entlassung ist die sogenannte „Weihnachtsamnestie“. Doch was hilft sie, wenn gerade im Umfeld eines Familienfestes die Freiheit winkt, aber diese Familie nicht mehr existiert oder mit dem oder der Entlassenen nichts mehr zu tun haben will?

Im Bild: Häftling
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Im Bild: Häftling

Ebenso wichtig sind die beruflichen Perspektiven.

Geändert hat sich etwa die Palette der Arbeitsmöglichkeiten. Wurden früher in Gefängnissen vor allem Berufe angeboten, die der billigen internen Systemerhaltung dienten, wie Köche, Friseure, Tischler, Maurer, Reinigungskräfte etc., so können nun auch Berufe im IT-Bereich erlernt, Schulabschlüsse und Uni-Ausbildungen nachgeholt werden. Schon länger werden die Arbeitsdienste von Häftlingen auch der Privatwirtschaft angeboten. Da werden Bohrer verpackt, Farbstifte sortiert, Postwurfsendungen kuvertiert oder Selbstbedienungsständer für Gratiszeitungen repariert.

Billige Häftlingsarbeit

Unternehmen wie die Handelskette Spar, die Brau Union, Wein & Co, die Modeketten C&A sowie Vögele oder die Donauuniversität Krems bedienen sich billiger Häftlingsarbeit. Ob in Männer- oder Frauenstrafanstalten. Rund 10-11 Euro pro Stunde zahlt ein externes Unternehmen demnach pro Arbeitskraft. Davon behält der Bund 75 Prozent als Vollzugskostenbeitrag, mit dem ein kleiner Teil der jährlichen Häftlingskosten von derzeit rund 450 Millionen Euro gedeckt wird. Dem Häftling bleiben nur etwa 5 Euro pro Tag. Das ist freilich zu wenig, um sich nach der Entlassung eine eigene kleine Wohnung mieten zu können.

Justizanstalt Graz-Karlau
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Justizanstalt Graz-Karlau

„Das Gefängnis hat mich nicht besser gemacht,..."

Die zunehmend multiethnische Gesellschaft spiegelt sich seit Jahren in den beengten Räumen der Anstalten. Verurteilte Islamisten und Syrien-Rückkehrer machen heimische Gefängnisse zunehmend zum religiös-ideologischen Nährboden für den Dschihadismus, vor allem im Jugendvollzug: „Das Gefängnis hat mich nicht besser gemacht, ich war bei meiner Entlassung genauso radikal wie bei meiner Verhaftung,“ meint ein ehemaliger IS-Anhänger, heute nach langer Therapie durch den Verein DERAD (Deradikalisierung) deradikalisiert.

Im Bild: Gefängnismauer.
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Im Bild: Gefängnismauer.

Wer kommt heute aus den Strafanstalten geläutert und resozialisiert heraus?

Was kann auf Grund der geringen Arbeitslöhne für das Leben in Freiheit angespart werden? Wie erfolgreich funktionieren die Auffangnetze nach der Entlassung, die gesellschaftlichen und beruflichen Reintegrationsprozesse? Peter Wieser, Bewährungshelfer in Salzburg: „Für viele geht es darum, wieder Ordnung in ihr Leben zu bringen, die Schulden in den Griff zu bekommen, Arbeit zu finden.“

Robert Gokl und Viktoria Tatschl, die für ihre Doku in mehreren österreichischen Gefängnissen gedreht haben, analysieren auch die für Erfolg oder Misserfolg der Resozialisierung wichtigen Schnittstellen zwischen Gerichten, Strafvollzug und Bewährungshilfe. Corona hat die Dreharbeiten der beiden Gestalter nicht gerade leicht gemacht.

Gestaltung

Robert Gokl