Mein Döbling
Döbling, das klingt manchen – zumal wenn in leicht nasalem Schönbrunner-deutsch ausgesprochen – nach elitärem Gehabe, nach dem Refugium von altem Geldadel und neuen Reichen. Döbling steht aber auch für beste Hanglage, etwa am Nussberg mit seinem vielfach ausgezeichneten Weinbau.
Mehr als viele andere Bezirke hat sich der 19. Wiener Gemeindebezirk seine dörfliche Struktur erhalten, vornehmlich in den Heurigenorten Nussdorf, Grinzing und Neustift, ebenso in Sievering oder im Kahlenbergerdorf.
Und dann ist Döbling auch noch eine Heimstatt der österreichischen Sozialdemokratie, mit dem historisch bedeutsamen Karl Marx- Hof, der genau einen Kilometer misst.
Dort, wo Gemeindebau an Nobelvillen grenzt, unweit der Armbrustergasse, ist die Sängerin Tini Kainrath aufgewachsen. Als Kind versuchte sie stets, durch die Ritzen des Bretterzauns einen Blick auf den Garten Bruno Kreiskys zu erhaschen. „Und dann stand er einmal leibhaftig vor mir“, erzählt Kainrath, der bei dieser Kindheitserinnerung immer noch der Atem ein wenig schneller geht.
Auch Döbling hat eine Krim oder vielmehr das Geviert „In der Krim“. Hier tauschte Ulrike Beimpold ihren ersten Kuss aus und rauchte ihre erste Zigarette. Und in der Luft lag stets der verführerische Duft von der nahen Schokoladefabrik.
Beimpolds Kollegin Michou Friesz wuchs im Döblinger Cottage auf – doch gleichgültig, aus welchem Grätzel man stammte, die Jugend traf sich nach Schulschluss „beim Eissalon“. Gemeint war eine Verkehrsinsel in Sievering vis-à-vis einer Eiskonditorei, auf der sich hunderte Teenager drängten – um zu rauchen, ihre Vespas zu präsentieren, um einfach „cool“ zu sein.
Die soziale Durchmischung im Bezirk hat Liedermacher und Autor Ernst Molden früh erlebt. In seinem Zuhause wurde womöglich die Sprache seiner Großmutter Paula von Preradovic' gesprochen, in seiner Volksschule aber die Sprache des nahen Karl Marx-Hofs. So erlernte er jenes Idiom, das er in seinen Liedern so gekonnt kultiviert.
Döblinger in xter Generation und Bauer – oder genauer: Weinhauer – ist Matthias Hengl-Haselbrunner. Vor rund 20 Jahren übernahm er den Betrieb aus alter Familiendynastie und trotzt tapfer dem Heurigensterben. Denn immer mehr Buschenschanken im Bezirk müssen Apartmentbauten weichen.