kulturMontag

Kunst und Wahn

Art and Mind

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Wahnsinn, Normverstöße, Verhaltensauffälligkeiten, Irrsinn: all dies war immer schon Gegenstand künstlerischer Betrachtung, rührt es doch an den Grundfesten der menschlichen Existenz. Amélie Ravalecs Film begibt sich auf die Suche nach dem scheinbar oder vermeintlich Abnormalem durch die Brille der Kunst. Besonderes Augenmerk wird auf das Mittelalter und die Renaissance gelegt, aber auch die Moderne und die Nazizeit werden gestreift.

Renaissance-Darstellung Narr
Renaissance-Darstellung Narr

Der oder die Wahnsinnige, die wahnhaft Kranken - sie wurden in der antiken Philosophie in die Nähe des Göttlichen gerückt, dann in Irrenanstalten weggesperrt, in der Zeit des NS-Terrors gezielt ermordet und später in manchen Fällen zu Künstler*innen in ihrer reinsten Form erklärt. Es ist also die Beschäftigung mit Wahnsinn, die viel darüber verrät, wie sich eine Gesellschaft über das Andersartige definiert. Vor allem die Kunst hat in einem enormen Spektrum an Darstellungen die vorherrschenden Vorstellungen der jeweiligen Zeit anschaulich gemacht.Erstmals taucht die Ikonographie des Wahnsinns im Spätmittelalter und in der frühen Renaissance auf: Zum einen gab es die allegorische Darstellung – Wahnsinn galt als Sinnbild für Sünde und Chaos. Andererseits wurde Wahnsinn als Krankheit begriffen.

Francisco Goya, Irrenhaus
ORF/Art&Mind Film/Museo Nacional de Prado
Francisco Goya, Irrenhaus

Im 17. und 18. Jahrhundert vervielfachten sich medizinische Werke über das Wesen von Geisteskrankheit und ihrer Heilung. Es war dies die Geburtsstunde der Psychiatrie. Der französische Psychiater Philippe Pinel erkannte, dass viele Geisteskranke angekettet wurden, weil man sich vor ihnen fürchtete. Sie von den Fesseln zu befreien, reichte oft schon, die Basis für ein Vertrauensverhältnis und für Therapie zu schaffen. Pinel und sein Assistent hatten verstanden, dass die Ermunterung, kreativ tätig zu sein, auf die Patienten sehr befreiend wirkte.

Sebastian Brant, Das Narrenschiff
ORF/Art&Mind Film/Staats- und Universitätsbibliothek Sachsen
Sebastian Brant, Das Narrenschiff

Zu Beginn des 20 Jahrhunderts entwickelten Ärzte eine wahre Leidenschaft für die Kunst ihrer Patienten. Marcel Réja veröffentlichte 1907 “Die Kunst bei Verrückten“ und Auguste Marie gründete eine Galerie in Villejuif. Das markierte den Beginn moderner Kunst und zugleich die Wiederentdeckung prähistorischer und afrikanischer Kunst.Nach dem ersten Weltkrieg begründete der Arzt und Kunsthistoriker Hans Prinzhorn seine bedeutende Sammlung mit künstlerischen Arbeiten psychiatrischer Patient*innen. Werke der Prinzhorn-Sammlung wurden später von den Nazis in ihren Wanderausstellungen „Entartete Kunst“ neben Werken der Avantgarde gezeigt, um sie als geisteskrank zu denunzieren und ihr Werk zu desavouieren. 1947 gründete Jean Dubuffet seine Compagnie de l`Art Brut. Er wollte die offizielle Kultur und den westlichen Blick auf sie in Frage stellen, wo Kultur auch eine Herrschafts-Insignie ist und andere unterdrückt. Sie versperre uns den Weg zu unseren kreativen Wurzeln.

Amélie Ravalec spannt in ihrer Doku einen gewaltigen Bilderbogen mit Werken von u.a. Hieronymus Bosch, Pieter Bruegel, dem Älteren, William Hogarth, Francisco de Goya, Otto Dix oder William Blake.

Siri Hustvedt, Schriftstellerin
ORF/Art&Mind Film
Siri Hustvedt, Schriftstellerin

Zu Wort kommen neben zahlreichen Kunsthistoriker*innen und Wissenschaftler*innen auch die Schriftstellerin Siri Hustvedt.

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