Im aufrechten Gang - 100 Jahre Johannes Mario Simmel
Johannes Mario Simmel
Marlene Dietrich bewunderte ihn, die Ikonen deutschsprachiger Literaturkritik Marcel Reich-Ranicki und Joachim Kaiser sprachen ihm Anerkennung aus. Viel der Ehre – doch sie kam spät in der Karriere des Johannes Mario Simmel.
Mit einer Gesamtauflage von rund 70 Millionen Büchern, die in 33 Sprachen übersetzt wurden, führte er jahrzehntelang die Bestseller-Listen an. Das machte ihn wohl suspekt – lange wurde er als Kitschist und Trivialautor in eine Bücherkiste mit Heinz G. Konsalik geworfen. Dabei nahm sich Simmel stets gesellschaftskritischer Themen an, versüßt mit einer Prise Romantik. Nach dem Krieg schrieb er zahlreiche Drehbücher, unter anderem für Filme mit Hildegard Knef und Romy Schneider.
Der Durchbruch als Romancier gelang ihm mit dem Roman „Es muss nicht immer Kaviar sein“, der in der Verfilmung ebenso zum Kinohit wurde wie „Und Jimmy ging zum Regenbogen“. Sein Sendungsbewusstsein als glühender Antifaschist lag wohl auch in seiner Biografie begründet: Fast alle Verwandten seines jüdischen Vaters wurden von den Nazis ermordet. Regisseur Gustav W. Trampitsch folgt anlässlich dessen 100. Geburtstages den Lebensspuren Simmels.
Romane wie „Liebe ist nur ein Wort“, „Hurra, wir leben noch“ oder „Jimmy ging zum Regenborgen“ waren auf Hirn und Gemüt einer Gesellschaft gerichtet, die langsam aus dem Rausch des Wirtschaftswunders erwachte. Vor allem der Mittelstand fühlte sich von Gefahren und Unsicherheiten wie alten und neuen Nazis, eisernen Vorhängen, Kaltem Krieg, sowie Energie- und Umweltkrisen bedroht. All das porträtierte Simmel punktgenau und wurde zum verlässlichen Chronisten.
Viele seiner Bestseller wurden verfilmt und Kassenschlager des deutschen Nachkriegskinos. Es hätte allerdings auch ganz anders kommen können: Sein Vater konnte vor dem braunen Terror noch rechtzeitig nach England entkommen, doch ein Großteil der väterlichen Verwandtschaft wurde von den Nazis verschleppt und ermordet. Dieses Trauma seiner Jugendzeit, das Erleben gnadenloser Unmenschlichkeit, bildete das Fundament einerseits für seine Alkoholsucht, anderseits für seinen scharfen Blick auf Zeitgeist, Liebe und Leid, sowie Großmut und Niedertracht.
Die Frauen liebten ihn, Marlene Dietrich überflutete ihn mit Briefen, übte Telefonterror aus. Mit seiner Lulu wollte er vereint fürs Leben sein, trennte sich jedoch wegen einer Jugendliebe, um schließlich zu Lulu zurückzukehren.
Alle Jahre hindurch hatte er dabei offen und intensiv ein Verhältnis mit Gabriele, seiner Dauergeliebten. Diese war seine Schreibmaschine, die ihn auf allen Reisen begleitete, und der er bis zum letzten Buchstaben treu geblieben ist.
Zu Wort kommen in Gustav W. Trampitschs Film u. a. Iris Berben, Star einiger seiner Romanverfilmungen, sein jahrzehntelanger Wiener Freund, der Journalist Peter Huemer, der Literaturkritiker und Journalist Heinz Sichrovsky, die Autorin seiner eben erschienenen Biografie, Claudia Graf-Grossmann, sowie der „neue Simmel“, der in Wien lebende österreichische Autor Marc Elsberg.
Regie
Gustav W. Trampitsch