dokFilm

Dr. Jack - Mr. Nicholson

Werbung Werbung schließen

Da ist dieser Blick unter den scharf geschwungenen Augenbrauen, der einen zu durchdringen scheint. Dazu ein Killerlächeln, das Fluchtinstinkte auszulösen vermag. Doch für jene, die im Kino sitzen und von der Leinwand herab seine Urgewalt erleben, gibt es kein Entrinnen. Anders gesagt: Der Schauspielkunst des Jack Nicholson entkommt man nicht. Sechs Jahrzehnte dauert die Karriere des Hollywood-Giganten schon an. Kein männlicher Schauspieler wurde öfter für einen Oscar nominiert, dreimal nahm er die Trophäe in Empfang. Emmanuelle Nobécourt zeichnet in ihrer Dokumentation das Porträt eines Maßlosen, der in seiner Kunst stets über Grenzen geht, privat aber seiner Einsamkeit nicht entrinnen kann.

Jack Nicholson, Kalifornien 1969
ORF/ARTE France/Arthur Schatz/The LIFE Picture Collection/Getty Images
Jack Nicholson, Kalifornien 1969

Mit 17 Jahren setzt sich Jack Nicholson in sein auf Pump gekauftes Auto, um Provinzmief und Bigotterie seines heimatlichen Kaffs in New Jersey hinter sich zu lassen. Sein Ziel: Hollywood. Er will Filmstar werden und landet als Laufbursche in den Animationsstudios Hanna-Barbera. Er lernt die Abläufe in der Traumfabrik kennen, bald ergattert er erste kleine Rollen in Film und Fernsehen. Doch niemand scheint wirklich auf Jack Nicholson gewartet zu haben, eine kleine Glatze bahnt sich schon an, sein Becken ist zu breit - er ist einfach nicht perfekt genug für das Hollywood der 50er-Jahre. Vor allem: er wusste selbst nicht, für welches Rollenfach er am besten taugte. Frustriert will er sich ganz hinter die Kamera zurückziehen. Das psychedelische Drehbuch „The Trip“, das Nicholson schreibt, wird mit zwei Stars des Neuen Hollywood verfilmt: Peter Fonda und Dennis Hopper. Zwei Jahre später steht er mit den beiden vor der Kamera: „Easy Rider“ wird zum Kultfilm, der das einhundertfache seiner Produktionskosten einspielt. Nicholson erhält seine erste Oscar-Nominierung und ist über Nacht ein Star.

Jack Nicholson, New York 1970
ORF/ARTE France/Jack Robinson/Hulton Archive/Getty Images
Jack Nicholson, New York 1970

Der Erfolg macht Nicholson selbstsicher, er hat die Courage, seine Abgründe auszuloten und seine Dämonen auf die Leinwand zu bringen. Und dies tut er zusehends unbarmherzig. Bei den Dreharbeiten zu „Einer flog über das Kuckucksnest“ lässt ihm Regisseur Milos Forman viel Platz für Improvisation – und Nicholson spielt nicht zuletzt auch sich selbst. „Ich bin immer mindestens zu 75 Prozent der Charakter, den ich darstelle“, sagt er einmal. Für seine Rolle als aufbegehrender Unruhestifter und Gewalttäter in einer Nervenheilanstalt erhält er seinen ersten Oscar. Auf den roten Teppichen und für die Yellow Press pflegt Jack Nicholson sein Image als exzessiver Superstar und Womanizer.

Jack Nicholson bei den Internationalen Filmfestspielen in Cannes 1974
ORF/ARTE France/Giribaldi/Gamma-Rapho/Getty Images
Jack Nicholson bei den Internationalen Filmfestspielen in Cannes 1974

Vor der Kamera dreht er noch einmal an der Schraube: Sein perfides „Here´s Johnny“ im Horrorfilm „The Shining“, seine zum mörderischen Grinsen gefrorene Fratze jagt dem Publikum eisige Schauer über den Rücken – und gerinnt zu einer popkulturellen Ikone.

Anfang der 1970er-Jahre erschüttern die Enthüllungen eines Journalisten das Privatleben Nicholsons schwer: Seine vorgebliche Schwester ist tatsächlich seine leibliche Mutter. Es ist eine besondere Ironie des Schicksals, dass Nicholson zu dieser Zeit gerade eine Hauptrolle in Roman Polanskis Film „Chinatown“ spielt, der sich wie eine Paraphrase auf sein Privatleben lesen lässt. Nicht nur vor, auch abseits der Kamera ist Jack Nicholson ein Getriebener.

Jack Nicholson mit Anjelica Huston und ihrem Vater John Huston, Los Angeles 1985
ORF/ARTE France/The LIFE Picture Collection/Getty Images
Jack Nicholson mit Anjelica Huston und ihrem Vater John Huston, Los Angeles 1985

Halt gibt ihm die lange Beziehung mit Anjelica Houston, die ihm aber irgendwann die ungezählten Affären und One-Night-Stands nicht mehr vergeben kann und ihn verlässt. 2010 hat Jack Nicholson seine letzte Kinorolle gespielt. Dennoch bezeichnet er sich nicht als Hollywood-Rentner. Es ist anzunehmen, dass Mr. Nicholson, der heuer seinen 85. Geburtstag feierte, ein Suchender geblieben ist.

Regie         
Emmanuelle Nobecourt

Links: