dokFilm

Diese Sendung ist kein Spiel - Die unheimliche Welt des Eduard Zimmermann

Werbung Werbung schließen

Ein interessanter Einblick in die TV-Geschichte, die immer auch ein Spiegelbild der Gesellschaft darstellt.

„Die Polizei bittet um Ihre Mithilfe!“: Ein adretter Herr mit kleinem Näschen und freundlichen Hamsterbacken. Doch sein strenger Blick verhieß nichts Gutes und was er zu sagen hatte, verbreitete stets Unbehagen. Wenn Eduard Zimmermann ab 1967 das Fernsehvolk auf Verbrecherjagd schickte - dann schickten Eltern ihre Kinder zu Bett, stets mit dem beklemmenden Nachsatz: „Diese Sendung ist kein Spiel“. „Aktenzeichen XY… ungelöst“ war weltweit die erste TV-Reihe eines Genres, das heute unter dem Begriff „True Crime“ boomt und zugleich der Auftakt interaktiven Fernsehens. Ab 1968 fungierten zunächst Teddy Podgorski und bald darauf Peter Nidetzky als ORF-Korrespondenten, die nach inländischen Kriminellen fahnden ließen. Grimme-Preisträgerin Regina Schilling hat Ausschnitte aus 300 Ausgaben zusammengetragen und daraus ein zeitgeschichtliches Feuilleton montiert. Es ist dies eine kluge Analyse verordneter Moral, gesellschaftlicher Normen und der Angstlust in spießigen Vorstadt-Wohnzimmern.

Der 38-jährige Journalist Eduard Zimmermann erfand 1967 mit der Sendereihe „Aktenzeichen XY – ungelöst" das weltweit erste True-Crime Format, das er bis 1997 auch produzierte und moderierte
ORF/ZDF
Der 38-jährige Journalist Eduard Zimmermann erfand 1967 mit der Sendereihe „Aktenzeichen XY – ungelöst" das weltweit erste True-Crime Format, das er bis 1997 auch produzierte und moderierte

Gleich die erste Folge ist harter Tobak: Eine Frauenleiche treibt in einem Gewässer.  Die Drastik der Bilder, in der ein realer Kriminalfall inszeniert wird, gibt den Ton für die kommenden Jahrzehnte an. Das Böse lauert immer und überall, lautet die subkutane Botschaft und ein bisschen schwingt da ein unausgesprochener Verdacht mit: Vielleicht waren ja die Opfer von Femiziden auch ein wenig selbst schuld an ihrem Schicksal. Wären sie doch besser nicht ausgegangen, sondern geblieben, wo ihr Platz ist: daheim, am Herd. Von Fällen häuslicher Gewalt wurde nicht berichtet. Die kurzen Filmchen zeichneten sich nicht immer durch schauspielerische Leistungen aus, wohl aber durch solides Handwerk.

Der Dokumentarfilm beschreibt auch den Wandel von Mentalität, Wertvorstellungen, Technologie, Kriminalistik und Medienwelt
ORF/ZDF
Der Dokumentarfilm beschreibt auch den Wandel von Mentalität, Wertvorstellungen, Technologie, Kriminalistik und Medienwelt

Kurt Grimm ist der Regisseur der ersten Stunde und Liebhaber des Film Noir. Eduard Zimmermann, der die Sendung nicht nur moderierte und produzierte, sondern auch konzipiert hatte, musste sich immer wieder den Vorwurf gefallen lassen, sein Spiel mit dem Schrecken sei ein Geschäftsmodell. Der Kitzel für das Publikum, in Echtzeit an einer Fahndung teilzunehmen, schlug sich jedenfalls in Quotenrekorden zu Buche – nur „welches Schweinderl hätten S´ denn gern?“-Robert Lembke hatte eine größere Gefolgschaft.

Regina Schillings Doku ist ein zeitgeschichtliches Brevier, denn „Aktenzeichen XY…“ zeichnete auch immer ein aktuelles Sittenbild. Der Anstieg an Drogen-Toten, die Ankunft des Terrors in Deutschland mit der RAF und in Österreich mit der Ermordung des Wiener Stadtrats Heinz Nittel durch einen palästinensischen Terrortrupp schwangen ebenso mit wie – stets ein wenig moralinsauer – die weibliche Emanzipationsbewegung und der Kampf um Schwulenrechte. 30 Jahre lang moderierte und produzierte „Ganoven-Ede“ – so Zimmermanns Spitzname – die Sendung, die er dann in die Hände seiner Tochter legte.

Links: