Der Menschendarsteller: In memoriam Otto Schenk
Er war ein Weltstar der Opernregie, langjähriger Theater-Intendant und Bestseller-Autor mit Rekordauflagen. Vor allem aber stand Otto Schenk im Rang eines nationalen Heiligtums. Er „gehörte“ den Österreicherinnen und Österreichern und besaß damit den Status eines Publikumslieblings wie es ihn heute kaum noch gibt. „Ich wollte nie etwas anderes, als dass mir das Publikum folgt. Ob es mich hasst oder liebt, war sekundär“, sagte Otto Schenk im Interview mit Regisseur Michael Meister. Am 9. Jänner ist der große Menschendarsteller für immer von der Bühne abgetreten. In memoriam Otto Schenk kommen zahlreiche Kolleginnen und Weggefährten wie Rudolf Buchbinder, Maria Köstlinger oder Michael Niavarani zu Wort.
Otto Schenk wurde 1930 in Wien geboren, als acht Jahre später das mörderische Nazi-Regime an die Macht kam, fiel die Familie in bittere Armut: aufgrund der NS-Rassengesetze war der Vater, ein Jurist, mit Berufsverbot belegt worden. Doch umso reicher war die Phantasiebegabung des kleinen Otto. Seine italienische Nonna – die Großmutter - war sein erstes Publikum, an dem er sein komödiantisches Talent erprobte. Schon im Alter von drei Jahren gab er seiner „Beobachtungssucht“ mit allen Sinnen nach: Waren Tanten und Onkel bei Familienfeiern zu Gast, konnte er mit olfaktorischem Sensorium, noch lange nachdem die Verwandtschaft das Haus verlassen hatte, erschnüffeln, wer an welchem Sitzplatz gesessen hatte. Nach dem Krieg bekam Schenks Vater seine Würde zurück – und er selbst wurde am Max-Reinhardt-Seminar aufgenommen: Einer der glücklichsten Momente in seinem Leben.
Das größte Glück im Leben des Otto Schenk war jedoch die Ehe mit Renée Michaelis: „Die Renée ist für mich das schönste Geheimnis, das es gibt und immer wieder für mich geben wird. Dieses Geheimnis des selbstverständlichen Liebhabens war für mich Erotik“. Kennengelernt hatte Schenk seine Frau als Darstellerin in der legendären Fernsehfamilie Leitner, bei der er Regie führte und die ihn selbst einem breiten Publikum bekannt machte.
Sein untrüglicher Instinkt für Pointen, sein perfekter Sinn für Timing machten Otto Schenk zum begnadeten Komödianten. Und zeitgleich wurde er für die Oper entdeckt. So meinte Bühnenpartner Michael Niavarani voll Ehrfurcht: „Der Komiker, der in einer Werberahmensendung mit Alfred Böhm Sketche gespielt hat, inszenierte an der Metropolitan Opera große Wagner Oper“. Um nachzusetzen: „Wir haben uns ineinander verliebt.“
Otto Schenk war Direktoriumsmitglied der Salzburger Festspiele und langjähriger Direktor des Theaters in der Josefstadt. Seine Bücher erreichten Rekordauflagen. Sein Platz im kollektiven Gedächtnis Österreichs ist ihm gesichert.
Gestaltung
Michael Meister