'Zum Holocaust-Gedenktag am 27.1.22' dokFilm

Das Schweigen der Alten

Endphase

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Nur wenige Tage vor Ende des Zweiten Weltkrieges wurden in einem kleinen Dorf in Niederösterreich 228 Kinder, Frauen und ältere Männer ermordet. Bis heute wurde den Tätern weder der Prozess gemacht noch wurde das Verbrechen je einer breiten Öffentlichkeit bekannt.

Zev Klein, Zeitzeuge, mit seiner Tochter Michal und einem Foto seiner ermordeten Schwester Sara
ORF/Hans Hochstöger
Zev Klein, Zeitzeuge, mit seiner Tochter Michal und einem Foto seiner ermordeten Schwester Sara

Mit seinem Film „Das Schweigen der Alten“ begeht der Filmemacher Hans Hochstöger eine gewagte Reise in die dunkle Vergangenheit der benachbarten Orte Hofamt Priel und Persenbeug, in denen er selbst aufwuchs. Gewagt, weil er damit an einem tabuisierten Verbrechen der letzten Kriegstage rührt, das die örtliche Bevölkerung seit Generationen zu verschweigen versucht. Das Massaker ist das einzige Verbrechen vergleichbarer Größenordnung in Österreich, bei dem die Täter nie gefunden wurden, und das obwohl sie möglicherweise sogar ihren Lebensabend in Niederösterreich verbrachten. Das Wissen um örtliche Begebenheiten und die gezielte Auswahl der Erschießungsorte ließ Gerüchte über die Involvierung lokaler Helfer der Tat bis heute nicht verstummen.

Yakov Schwarz, letzter Überlebender des Massakers
ORF/Hans Hochstöger
Yakov Schwarz, letzter Überlebender des Massakers

Spät nachts, am 2. Mai 1945, bringen die Täter jüdische Zwangsarbeiter*innen samt ihrer Familien, die in Barackenlagern der Kraftwerksbaustelle in Persenbeug nächtigten, zu versteckten Gräben nach Hofamt Priel. Dort werden sie kaltblütig erschossen, anschließend mit Benzin übergossen und teilweise verbrannt. Weil die Täter die Rache der sich nähernden roten Armee fürchten, werden die Überreste der Leichenberge rasch vor Kriegsende in einem nahegelegenen Acker vergraben. Die örtliche Bevölkerung beschließt kollektiv über die Tat zu schweigen, und so passierte es, dass die Mörder der 228 Getöteten bis zum heutigen Tag ungeschoren davonkamen. Auch von staatlicher Seite wurde scheinbar nie ernsthaft versucht, das Verbrechen aufzuarbeiten und die Mörder ausfindig zu machen.

Ein Foto von Marton Kardos im Archiv des Holocaust Memorial Center in Budapest
ORF/Hans Hochstöger
Ein Foto von Marton Kardos im Archiv des Holocaust Memorial Center in Budapest

Anfang der 1960er entbrannte zwischen den Besitzern jenes Grundstückes, in dem die 218 Leichen vergraben waren, und den Behörden, ein Rechtsstreit. 1963 wurden die Ermittlungen zur Tat schließlich eingestellt und der Akt „Hofamt Priel“ geschlossen. Im darauffolgenden Jahr wurde, ungeachtet des Schutzes als Kriegsgrabstätte, die Gebeine der Opfer exhumiert und auf den jüdischen Friedhof in St. Pölten verfrachtet. Es war ein wiederholter Versuch einen Mantel des Schweigens über das Massaker zu breiten. Erst 1993, nach jahrelangen Diskussionen mit Ortsbewohnern, wurde von einem Holocaustüberlebenden im Dorf ein kleiner Gedenkstein gesetzt. Einen Wegweiser, der Besuchern das Auffinden des weit abgelegenen Steins erleichtert, gibt es bis heute nicht.

Der Gedenkstein in Hofamt Priel
ORF/Hans Hochstöger
Der Gedenkstein in Hofamt Priel

2015 beginnen Filmemacher Hans Hochstöger und sein Bruder Tobias, er ist Politikwissenschafter, mit Recherchen und Filmarbeiten zu der Gräueltat in ihrer Heimatregion. Auf der Suche nach Erklärungen für das jahrzehntelange Schweigen treffen sie ihnen gut bekannte Augenzeugen aus dem Dorf, sie reisen zu Überlebenden des Massakers und Angehörigen der Opfer in Ungarn und Israel.

Marton Kardos, Zeitzeuge, in seinem Garten in Lorinci / Ungarn
ORF/Hans Hochstöger
Marton Kardos, Zeitzeuge, in seinem Garten in Lorinci / Ungarn

“Das Schweigen der Alten” ist eine neu erarbeitete TV-Fassung des Kinofilms „Endphase“, der 2021 mit Mitteln des ORF, im Rahmen des Film/Fernsehabkommens hergestellt wurde.

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